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Sinne in sich, daß ihn schon Aristoteles, wie erwähnt, in den Büchern

über die Seele „gleichsam alle Dinge“ (ώς πάνιων), also eigent-

lich den Inbegriff der Dinge nannte; aber die Deutung im Einzelnen

wie im Ganzen ist schwierig und hat enge Grenzen.

Wir vermögen das Gesamtleben der Natur oft nur sinnbildlich

zu ergreifen. Und das geschieht vor allem in der Kunst! Vornehm-

lich die Naturdichtung, die Landschaftsmalerei und die Musik ver-

mögen innere Gesamteindrücke wiederzugeben. Ihre Versinnbild-

lichung und Personifizierung hat natürlich einen weiten Spielraum.

Die Deutung der Natur kann dann mit verschiedenen subjektiven

Stimmungen und Erlebnissen in Zusammenhang gebracht werden;

dennoch ist jedes Sinnbild in seiner Weise wahr (das heißt soweit es

seinen Gegenstand von bestimmter Seite nimmt). Denn wenn über-

haupt etwas versinnbildlicht werden kann, steht auch eine Wirk-

lichkeit, eine Wahrheit dahinter. Ja, Goethe konnte mit Recht

sagen:

,Alles, was geschieht, ist Symbol, und indem es vollkommen sich

selber darstellt, deutet es auf das Übrige.'

Wie sehr Goethe auch von der Überzeugung der Ganzheit der

Natur erfüllt war, beweisen unter anderem folgende Worte im

Gespräch mit Falk

1

:

Was helfen mir die Teile (der Natur), was ihre Namen?

Wissen will ich, was jeden Teil im Universum so hoch

begeistigt, daß er den andern aufsucht, ihm entweder dient

oder ihn beherrscht, je nachdem das allen eingeborene

Vernunftgesetz ... den zu dieser, jenen zu jener Rolle befähigt.

Im Sinne der Naturansicht Schellings sowohl wie seiner eigenen

sah Goethe das Verhältnis von Mensch, Natur und Gott:

So im Kleinen ewig wie im Großen

Wirkt Natur, wirkt Menschengeist und beide

Sind ein Abglanz jenes Urlichts droben,

Das unsichtbar alle Welt erleuchtet.

Das Urlicht der göttlichen Befassung der Natur hält Goethe auch

in dem Bereiche einer gewissen Naturmystik fest. So in der erhabe-

nen Stelle „Wald und Höhle“ in Faust I: „Erhabner Geist (im Rück-

* 2

1

Goethes Gespräche, herausgegeben von Woldemar Freiherr von Biedermann,

2. Aufl., Leipzig 1909, S. 28.