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versteckter Form weiter ihr Unwesen treibt) ist es auch in der Ge-
hirnphysiologie um die „Assoziationsfelder“ still geworden
1
.
Zudem ist hier noch eine methodologische Besinnung nötig. Die
A u s f a l l s e r s c h e i n u n g e n , auf denen ja neben den Reizen
die Experimente der Gehirnphysiologie und die Beurteilung der
Gehirnerkrankungen beruhen, geben keineswegs ein Bild der Lei-
stungen der Gehirnteile. Das ist ja bekannt, wird aber zu wenig
gewürdigt. Dieses Problem tritt ja in allen Ganzheiten auf, daher
besonders auch in der Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie. Wenn
z. B. für den Bau von Hausmauern Kalk, Sand und Ziegel nötig
sind, so ergibt sich bei Ausfall von Kalk die Unmöglichkeit eine
Mauer aufzubauen. Darf man daraus schließen, daß der Kalk die
eigentlich bauende Leistung vollzöge, weil bei seinem Ausfall keine
Mauer zustande kommt? Gewiß nicht, denn auch bei Ausfall von
Sand und Ziegeln zeigt sich dasselbe. In der wirtschaftlichen Wert-
theorie hat Carl M e n g e r auf den Ausfall der Wertbestimmung
aufzubauen gesucht und ist damit gescheitert
2
. In Wahrheit steht es
so, daß in einer Ganzheit: 1. jede Leistung nur vollzogen werde,
indem sie zugleich alle anderen Leistungen empfängt; und 2. daher
jede Leistung (oder das sie ausübende Organ) gar nicht für sich be-
stehe, für sich daher auch nicht isolierbar, also auch nicht ausschalt-
bar sei
3
. Die Leistung eines Fabrikdirektors oder Feldherrn z. B.
vollzieht sich, indem sie alle anderen Leistungen zugleich empfängt,
und ändert sich daher, weil sich letztere ändern, z. B. wenn die
Arbeiter statt fleißig widerstrebend, die Soldaten statt mutig zag-
haft werden. Den Direktor oder Feldherrn der guten Arbeiter und
Soldaten auszuschalten, wäre daher etwas anderes als den der
schlechten! Überdies kommt in keinem Ganzen, besonders nicht
im Organismus, der Ausfall des geschädigten Gliedes völlig zur
Geltung, da stets mehr oder weniger E r s a t z e r s c h e i n u n -
1
Wovon unter anderem der besonnene Artikel von Eduard Theodor von
Brücke: Allgemeine und vergleichende Gehirnphysiologie, in: Handwörterbuch
der Naturwissenschaften, 2. Aufl., Bd 4, Jena 1934, S. 810 ff., Zeugnis gibt.
2
Vgl. mein Buch: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre, 24. Aufl.,
Leipzig 1936, S. 167 ff. (jetzt: 28. Aufl., Graz 1969, S. 199 ff. = Gesamtausgabe
Othmar Spann, Bd 2).
3
Vgl. mein Buch: Tote und lebendige Wissenschaft, 4. Aufl., Jena 1935,
S. 191 f. (jetzt: 5. Aufl., Graz 1967, S. 172 ff. = Gesamtausgabe Othmar Spann,
Bd 6).