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IX. Der Organismus als Seelenspiegel.

Die Gestalt

Zeigt sich nun trotz der unzweifelhaft feststehenden und auch

einsichtig erfaßbaren Geistesferne des Organismus doch ein unge-

heurer Unterschied zwischen Mensch und Tier, so muß das beson-

dere Gründe haben, denen wir nachgehen müssen. Der Fisch und

der Mensch, beide haben Augen und insofern die gleichen Organe,

aber das Fischauge ist stumpf und kalt, das Auge Goethes lodert

von einem höheren inneren Feuer. Das Auge erweist sich hier als

Anzeiger des Geistes, als Seelenspiegel.

Allerdings ist das Auge kein leibliches Leistungsorgan, sondern

das höchste Sinnesorgan, Vermittler von Sinnesempfindungen für

sich selbst. Aber doch ist auch jedes andere Leibesorgan und vor

allem das Gesamtganze des Organismus in seinem Habitus Seelen-

spiegel.

Wie kann aber der grundsätzlich geistesferne Organismus Seelen-

spiegel sein?

Da Geist und Seele keine lokalisierten, unmittelbaren Lebens-

organe haben, ist das nur auf mittelbare Weise möglich; nur dadurch

nämlich, daß der menschliche Geist seine Kommunikation mit der

Natur nicht auf so einfache Art vollziehe wie z. B. Monere, Pflanze,

Qualle: die niedersten Tiere und Pflanzen sind nur Verdauungs-

schläuche, der menschliche Organismus ist dagegen unendlich viel

reicher und vielfältiger, wodurch? Darauf gibt es nur eine Ant-

wort: durch weit tieferes Eindringen in die Innerlichkeit der Natur!

Die Verdauung und Atmung, ebenso die Raumbewegung und

Berührung, kurz die gesamte Verbindung mit der Natur geht beim

Menschen unter Mitwirkung ungleich reicherer Sinnesempfindun-

gen vor sich als dort, wo lediglich die Einverleibung von Stoffen

in Frage kommt, wo daher nicht einmal Verdauung und Atmung

getrennt sind, wie bei den sogenannten anaeroben Wesen, die auch

unter Luftabschluß leben können, indem sie den Sauerstoff aus

anderen Verbindungen gewinnen, bei denen demgemäß auch nur

eine kaum differenzierte Sinnesempfindung in der Kommunikation

mit der Natur liegen kann.

Man kann diese undifferenzierte Sinnesempfindung im Vergleiche

mit der differenzierten des Menschen u n t e r s i n n l i c h nennen.