Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3795 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3795 / 9133 Next Page
Page Background

362

g e n dadurch eintreten, daß andere Organe die ausgefallenen Lei-

stungen teilweise übernehmen oder durch Umbildung und Ver-

stärkung anderer wettmachen. Gerade das Studium der Ersatz-

erscheinungen ist am meisten geeignet, uns die betreffenden Lei-

stungen jeweils kennen zu lehren. Da aber gerade die Ersatzerschei-

nungen beim Organismus oft dunkel und verborgen sind, so wer-

den die Schlüsse aus den Ausfällen und Schädigungen noch weiter

erschwert. Damit stimmt es überein, daß wir zum Teil eine Parallele

zwischen Defekten des Großhirns und geistigen Erkrankungen fest-

stellen können, oft aber auch Fälle sehen, bei denen solche Defekte

„nicht zu merklichen psychischen Defekten“ führen

1

, das heißt daß

wir aus den Ausfällen nicht ohne weiteres Schlüsse ziehen dürfen.

Nicht nur die Großhirnrinde also, sondern der ganze Organismus

ist Werkzeug der Seele und des Geistes — und auch das nur in dem

Sinne, daß der Geist durch dieses Werkzeug in die Naturwelt ver-

woben werde. Da nun diese Verwebung — wie sich zeigte — eine

doppelte ist: eine m a t e r i e l l e durch die materiellen Kommuni-

kationen und die von ihnen abgeleiteten Teilinhalte, eine i n n e r -

l i c h e durch die Sinnesempfindungen mittelst der Sinnesorgane

und der zugehörigen Großhirnzentren, — so ist nicht einmal diese

Werkzeuglichkeit eine einfache. Vielmehr: der Geist bedient sich

u n m i t t e l b a r der Sinnesempfindungen, mittelbar der Leistun-

gen jener Organe, die dem Sinnesapparat zugrunde liegen. Der lei-

stende Gliederbau des Organismus ist also schon grundsätzlich nur

ein mittelbares Werkzeug des Geistes: Daher finden sich im Or-

ganismus wohl arteigene Verbindungssysteme mit der Natur (als

deren arteigene Unterlagen Sinnesorgane), aber keine Entsprechun-

gen für die Stufen und Teilinhalte des Geistes. Die A u s g l i e -

d e r u n g s o r d n u n g d e s G e i s t e s h a t k e i n

A b b i l d

i n d e r A u s g l i e d e r u n g s o r d n u n g d e s L e i b e s .

Wie immer man die Dinge wendet, die Geistesferne des Or-

ganismus ist stets das Ergebnis.

Diese Geistesferne ist auch der Schlüssel dafür, daß der tierische

Organismus dem Menschen unendlich viel verwandter ist, als das

1

Eduard Theodor von Brücke: Allgemeine und vergleichende Gehirnphysio-

logie, in: Handwörterbuch der Naturwissenschaften, 2. Aufl., Bd 4, Jena 1934,

S. 838.