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Daher sind, worauf wir schon unsere Aufmerksamkeit lenkten,

die niedersten Tiere und Pflanzen sozusagen nur ein einziger, wenig

gegliederter Verdauungskörper, und ihre Gestalt nähert sich den

Kristallen an — übrigens ein deutlicher Hinweis auf die relativ

größere Rolle der anorganischen Materie in diesen Organismen.

Der Mensch hingegen hat:

1.

die unmittelbaren Kommunikationssinne, nämlich Geschmacks-,

Geruchs-, Tast-, Wärme- und Bewegungsempfindung ungleich mehr

ausgebildet und darum die einzelnen Kommunikationsarten auch je

für sich entwickelt; also: Verdauungs-, Atmungs-, Berührungs- und

Bewegungsorgane differenziert; — er hat auch

2.

dazu höhere Sinne entwickelt, nämlich Gesicht und Gehör,

welche ihn aus der blinden Nacht und toten Stille des niederen

Tier- und Pflanzenlebens herausheben. — Nun haben allerdings

auch die höheren Tiere Lunge und Darm getrennt, ebenso Gehör

und Gesicht entwickelt, es fehlt ihnen aber, was den Menschen aus-

zeichnet:

3.

daß er das sinnlich Empfundene in das R e i c h d e r G e -

d a n k e n zu erheben, es zur Reflexion, zur vollen Bewußtheit zu

bringen und es dadurch zur Grundlage seiner gesamten höheren

Geistigkeit zu machen vermöge.

Durch alle diese Vermittlungen spiegelt sich im menschlichen

Organismus seine höhere geistig-seelische Art, trotzdem spezifisch

geiste Organe nicht bestehen, das heißt, der menschliche Orga-

nismus wird auf diese Weise zu einem e l e m e n t a r e n S e e -

l e n s p i e g e l .

Wegen dieses Mangels unmittelbarer Geistesorgane, wegen dieser

grundsätzlichen Seelen- und Geistesferne des Organismus kann sich

alle Seelenspiegelung nur mittelbar zeigen. Es gibt daher wohl eine

P h y s i o g n o m i k , die die Seele aus dem gesamten Habitus des

Körpers oder sinnbildlich deutbaren Anzeichen abliest (man denke

an Handlesekunst, Schriftdeutung); aber keine leibliche P s y c h o -

g n o m i k , das heißt keine Möglichkeit, aus bestimmten leiblichen

Organen des Liebens, Denkens, Wollens usw. selbst die Verfassung

des Geistes abzulesen. Wäre der Organismus in irgendeiner unver-

mittelten Weise Seelenspiegel, zeigte er irgendwo geradewegs die

Signatur des Geistes an, dann müßte es eine wahre Psychognomik

geben, nicht eine bloße Physiognomik, wie wir sie wirklich auszu-