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rung seit 1900, an der jenes Nicht-zur-Geltung-Kommen der

kapitalistischen Ausrüstung keine Schuld tragen kann, die aber im

Gegenteil auch ihre großen Produktivitätsfortschritte (Riesenbetriebe,

Kartelle, Elektrizität) aufweist. Bedenkt man dagegen, daß Mitte der

Siebzigerjahre plötzlich nordamerikanisches, südamerikanisches, indisches

Getreide und andere Zerealien und Rohstoffe billigst auf dem Weltmarkt

erschienen und daß d a m i t d i e M e h r h e i t a l l e r W a r e n

P r e i s s e n k u n g e n

e r f u h r

(aus

Kostenminderungen,

Produktivitätsfortschritten infolge Angliederung bester, billigst

produzierender Böden an die nationale Landwirtschaft!), so sieht man die

Notwendigkeit der Preisverschiebungen in den großen Linien ohne

weiteres ein. Im Widerspruch damit scheint allerdings zu stehen, daß jene

Zeit durchaus keine rosige war, keine Zeit höchsten Überflusses — was ja

aus der inneren Verbilligung und Reichlichkeit aller Produkte folgen

müßte. Das hat aber seine besondere Ursache darin, daß diese Verbilligung

und Reichlichkeit nicht dem Schoße der heimischen Wirtschaften selbst

entsprang, sondern sich aus der plötzlichen Angliederung von f r e m d e n

Böden ergab, die überdies besser waren und billiger und reichlicher

produzieren konnten als die inländischen

1

. So bereiteten sie einerseits dem

einheimischen, durch Bevölkerungsvermehrung und abnehmenden

Bodenertrag bereits zu intensiveren, teureren Produktionen gedrängten

Landwirt eine Konkurrenz, die zu einer chronischen Landwirtschaftskrise

führte, andrerseits gerade damit eine starke Schwächung der Kaufkraft des

inneren Marktes, das heißt aber des wichtigsten Absatzgebietes für die

Industrie der damals noch sehr agrarischen Länder, bewirkt.

Durch solche Ausnahmsverhältnisse allein ist jene einzige Periode von

Preissenkungen bei ungestörter kapitalistischer Entwicklung als

P r e i s v e r s c h i e b u n g erklärbar, nicht durch Goldknappheit und

noch weniger durch die Annahme ( L e x i s , W i c k s e i l ) , nunmehr

habe erst die Produktivität der kapitalistisch ausgerüsteten Welt sich voll

entfalten können.

7.

Das Entsprechende muß der entgegengesetzte Fall zeigen: wenn in

einer gegebenen kurzen Zeitperiode nicht die Minderheit, sondern

1

Karl Diehl: Zur Frage der Getreidezölle, Jena 1911, S. 40 f.