96
[99/100]
ihr Wesen, nicht nur ihre äußere Gestalt bedingt. Erst dort ist Aus-
gliederung, wo die Gegenseitigkeit der Teile aktuierende, seinge-
bende Bedeutung hat. Herz und Lunge sind nicht nur formell ver-
bunden, sondern in ihrem Lebensinhalt, in ihren Verrichtungen
aufeinander hingeordnet und darum Seinsgrund füreinander; Kö-
nig und Bürger sind in ihren Leistungen oder Verrichtungsweisen
aufeinander hingeordnet, darum Seinsgrund füreinander; Mutter
und Kind, Feldherr und Krieger, Priester und Gläubige, Künstler
und Gemeinde sind in ihren Verrichtungen und Lebensinhalten auf-
einander und damit auf ein Ganzes hingeordnet und darum Seins-
grund füreinander.
Erst diese wechselseitige Gründung der Dinge ineinander, die sel-
ber nur Ausdruck ihrer Gründung im Ganzen ist, erst diese o n t o -
l o g i s c h e Hingeordnetheit, statt einer bloß formal-gestaltlichen
oder auch bloß äußerlich-teleologischen, bezeichnet das Wesen der
Ausgliederung.
Das Ganze wird demnach, so können wir als Ergebnis zusammen-
fassen, nicht auf solche Weise in seine Teile geschieden, daß das
Unterschiedene beziehungslos und wesenlos nebeneinander stünde
und gleichsam auseinanderfiele; es wird in den Teilen nicht stück-
weise, nicht in Vereinzeltem geboren; sondern das Ganze ist der
s c h ö p f e r i s c h e Seinsgrund der Glieder, in- / dem es in ge-
genseitig aufeinander angelegten, ineinander jeweils ihre unmittel-
bare Aktuierung findenden Gliedern in Erscheinung tritt.
Das Ausgegliederte oder „Glied“ ist nach den eben erlangten Be-
stimmungen etwas, was n i c h t f ü r s i c h g e d a c h t w e r -
d e n k a n n und darum auch dem Begriff nach für sich kein Sein
hat. Auch hier gilt es wieder, der Gefahr eines Irrtums auszuwei-
chen. Das Ausgegliederte kann:
(1)
insofern nicht für sich gedacht werden, als es Glied des Ge-
samtganzen ist und im Gesamtganzen seinen Seinsgrund findet; es
kann auch
(2)
nicht ohne die konkret mitausgegliederten Glieder gedacht
werden!
Das Herz ist undenkbar außerhalb des Körpers, des Gesamtgan-
zen, weil es ohne Lunge, Gefäßsystem, Blutsystem und so fort, kurz,
ohne jene mitausgegliederten Glieder, die mit ihm zusammen einen
handgreiflichen Gliederstaat bilden, undenkbar ist. Nicht ein ab-