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Beispiel: das edle oder unedle Organ; das Herz hat einen höheren

Sachgehalt als der kleine Finger; der Hund einen höheren als der

Wurm.

2. Die V o l l k o m m e n h e i t d e r D a r s t e l l u n g d e s

r e i n e n W e s e n s

Das edle ebenso wie das unedle Organ kann krank sein, dann

kann es seinen Wesensgehalt nicht rein zur Darstellung bringen.

Es handelt sich hier um Fehler im Gliederbau, daher sprechen wir

auch von gliedernder oder formaler Vollkommenheit oder entglie-

dernder Verderbnis.

„Krankheit“ beruht darauf, daß ein Glied in seinem Eigenleben (der vita

propria) aus dem Rahmen der Ganzheit heraustritt und besteht daher entweder

in Hypertrophie oder Atrophie. Hiermit ist das formale, gliedbauliche Element

der „Krankheit“ bezeichnet. Sofern es sich dabei um ein „edles Glied“ oder um

ein „unwichtiges Glied“ handelt, kommt der Sachgehalt des Gliedes in Frage —

aber der Form nach handelt es sich nur um „Krankheit“. Hierfür ist also n i c h t

der Sachgehalt des Gliedes, sondern die Störung in der Ausgliederung des

Ganzen, nach der Seite des Gefüges hin, wesentlich. — Oder: „Mißgeburt“ be-

steht darin, daß der im Anlageplan gelegene Gliederbau nicht vollkommen aus-

gegliedert wurde. Dies beruht aber nicht auf sachlicher Fehlausgliederung, nicht

auf Wesensunvollkommenheit, sondern auf gliedernder Unvollkommenheit

1

.

Die Aufgabe einer philosophischen Vollkommenheitslehre ist es, den Zu-

sammenhang von formaler und sachlicher Vollkommenheit, beziehungsweise

Unvollkommenheit aufzuzeigen.

Die Vollkommenheit des Sachgehaltes der Ganzheiten zu bestim-

men, die wir in der Erfahrung antreffen, wird als die Aufgabe der

sogenannten normativen Wissenschaften, zum Beispiel der Ästhe-

tik, / Logik, Metaphysik, Sittenlehre, allgemein gegeben. Aber es

ist offenkundig, daß die Vollkommenheit des Gliederbaues ihres

Gegenstandes notwendig a l l e Wissenschaften bestimmen, weil

ihre Aufgabe ist, die Wesensbestimmtheit ihres Gegenstandes zu

erforschen und das heißt notwendig: den Anlageplan und Sinn-

gehalt der Ganzheit, die Mitausgegliedertheit der Glieder. Das ge-

schieht aber dadurch, daß sie ihre Gegenstände jeweils als sinnvolle

Ganzheiten in ihren eigenen Sacherfordernissen erfassen. We-

s e n s f o r s c h u n g i s t z u g l e i c h V o l l k o m m e n h e i t s -

1

Siebe darüber Näheres unter „Eigenleben des Gliedes“, unten § 13, IV,

S. 132 ff.