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Ganzen bewahren. Die Nervenzentren bestehen aus Zellen, welche vollständig

in der Art ihres Organs bleiben, also Nervenzellen nicht etwa Muskelzellen

sind; die muskulären Organe dagegen aus Zellen, die wieder vollkommen in der

Art ihres Organs bleiben, also aus Muskelzellen bestimmter Art, nicht etwa

aus Nervensubstanz. — Hier zeigt sich überall die Ebenbildlichkeit, denn in jeder

dieser organischen Erscheinungen drückt sich die ganze Welt des Organischen

aus. Das größere Ganze weist auf kleinere hin, das kleinere und kleinste auf

die größeren Gruppen und das Gesamtganze zurück — wie im Märchen der

kunstreiche Schmied aus einer Nähnadel 10 andere, ineinandergesteckte, heraus-

zieht. — Andere Beispiele bietet die Gesellschaft:

Das R e c h t i s t d u r c h u n d d u r c h r e c h t l i c h . Es besteht nur aus

rechtlichen Unterganzen — zum Beispiel Verfassung, bürgerliches Recht, Prozeß-

recht, Strafrecht — die wieder je aus arteigenen Rechtssätzen mit nur arteigenen

Merkmalen bestehen, zum Beispiel werden im Strafrecht nicht die Rechte des

Parlamentes normiert werden. Jedes rechtliche Unterganze, Verfassung, Straf-

recht usw., hat die Natur des ganzen Rechtes an sich, jeder Rechtssatz spiegelt

das ganze Recht ab und weist auf alle andern Glieder hin. Dagegen gibt es keine

„Wirtschaft im Recht“ und kein „Recht in der Wirtschaft“. Alles muß bei seiner

eigenen Art bleiben

1

.

Der S t a a t i s t d u r c h u n d d u r c h s t a a t l i c h . Wohin wir auch im

Staat blicken, überall sehen wir schon einen kleinen Staat, den „Staat im Staate“,

wie das trefflich geprägte Wort sagt. Der Staat besteht aus „König“ (Präsident),

„Gesetzgeber“, „Beamter“, „Bürger“. Jeder hat als O r g a n des Staates einen

Umkreis selbständigen staatlichen Wirkens. Darum ist jeder ein eigener kleiner

„Staat“. „Jeder Zoll ein Staat“, kann man sagen, wo man sich auch im Reich der

staatlichen Erscheinungen umsehe.

Die W i r t s c h a f t i s t d u r c h u n d d u r c h w i r t s c h a f t l i c h . Ob

man auf Erzeugungen — Märkte — Haushaltungen hinblickt; ob man den Arbeiter,

den Unternehmer, den Landwirt, den Händler ins Auge faßt: alles trägt den

Stempel der „Wirtschaft“ an der Stirn, überall stellt sich die Natur der Wirtschaft

auf arteigene Weise dar, überall findet sich / Einteilung und Kalkulation, Lei-

stung, Wertung, kurz, die ganze Wirtschaft in den Grundzügen abgespiegelt.

Niemals findet sich auch etwas, was einer anderen Ganzheit angehörte, etwas,

was nicht „Wirtschaft“ wäre — zum Beispiel nicht das der Staatlichkeit oder

dem Recht Zugehörige oder etwas von den Wolken des gestrigen Tages; diese

Dinge gehören in ihre eigenen Ganzheiten, nicht in die der Wirtschaft.

G e i s t i g e G e m e i n s c h a f t i s t d u r c h u n d d u r c h G e m e i n -

s c h a f t , darum ist Bestandteil der Freundschaft nicht etwa „rote Farbe“, son-

dern nur das Freundschaftartige; Bestandteil der Gemeinschaft von Lehrer und

Schüler das auf Lehren Bezügliche, nicht etwa Markensammeln, welches Be-

standteil der Markensammlergemeinschaften ist und so fort.

Auch K u n s t , W i s s e n s c h a f t , R e l i g i o n zeigen sich immer nach

dem Gesetz der Ebenbildlichkeit gebaut. Jede Erscheinung der Kunst ist nur

durch das bestimmt, was auch das Ganze der Kunst ausmacht, darum bestimmt

durch Schönheit, Ebenmaß, Ausdruck usw. Nicht aber ist zum Beispiel ein

Gemälde als Kunstwerk dadurch bestimmt, daß es Eigentum von Hinz und

Kunz ist und den Preis von tausend Talern hat. Auch jeder Teil eines Gemäldes

ist wieder durch das bestimmt, wodurch das ganze Bild als Kunstwerk konstitutiv

bestimmt ist, zum Beispiel das Landschaftsbild durch den Geist der Landschaft,

1

Vgl. unten § 29, S. 266 ff.