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unsere Kategorienlehre steht die Sachlage völlig anders. Es g i b t
k e i n e
s i n n f r e i e ,
u n g e l e i t e t e ,
z u s a m m e n g e -
s c h n e i t e , g l e i c h s a m a n s S e i n g e r a t e n e Q u a l i -
t ä t , s o n d e r n n u r e b e n b i l d l i c h e Q u a l i t ä t . Es gibt
also nicht „Qualität überhaupt“, sondern nur sinnvolle Bestimmt-
heit des Seins, nämlich Ebenbildlichkeit. Es gibt auch nicht in einem
andern Sinne „Qualität überhaupt“, daß nämlich neben Rot und
Blau, dieses einmal vorhanden, beliebige weitere Qualitäten, zum
Beispiel Tiefe und Breite, Ton, Elektrizität und Bewegung usw.
usw. / sein könnten; sondern es gibt auch das Zusammengehören,
die Entsprechung der „Qualitäten“ nur n a c h M a ß g a b e von
Ebenbildlichkeit, anders ausgedrückt, als gliedliche Bestimmtheit.
Damit ist wohl das Willkürlich-Zufällige der „Qualität“ wie —
auch in diesem Zusammenhange wieder — das Sein als Kategorie,
die Leere des Seins aus der Kategorienlehre verwiesen.
In der heutigen, empiristischen Kategorienlehre gilt die Quan-
tität als das Ursprüngliche, was wir in den Satz kleiden können;
Quantität ist vor Qualität, Quantität schlägt in Qualität um, ein
Satz, dem besonders der Atomismus und das mathematisch-ursäch-
liche Verfahren folgen, den der Marxismus auch in der Gesellschafts-
wissenschaft offen zu vertreten sich erkühnte. Aber auch in der indi-
vidualistischen Volkswirtschaftslehre (Preis als Bedingung der Er-
zeugung und Verteilung) und Gesellschaftslehre (Gesellschaft =
psychologische Wechselwirkung, die mit wechselnder Anzahl der
Wirkenden verschieden qualitative Ergebnisse erzielt), finden wir
ihn an der Herrschaft.
Nach unseren Voraussetzungen muß umgekehrt der Satz gelten:
Q u a l i t ä t i s t v o r Q u a n t i t ä t . Dies kann nicht anders
sein, weil alle „Qualität nur ebenbildliche Bestimmtheit ist, und
weil darum das Gesetzte auch seiner M e n g e nach sich von Eben-
bildlichkeit herleiten muß.
Nicht die Quantität ist zuerst und bildet dann Qualität, nicht die
Teile sind zuerst und bilden dann das Ganze, sondern das Ganze,
Qualitätgebende ist zuerst, bildet dann ebenbildlich die Glieder und
bestimmt damit auch das, was von gewissen Standpunkten aus als
Quantität erscheint.
Daß in Gesellschaftslehre, Seelenlehre und den andern Geisteswissenschaften
in Wahrheit die Priorität des Qualitativen vor dem Quantitativen gilt, dafür
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