Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4029 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4029 / 9133 Next Page
Page Background

[168/169]

157

I. Das Ebenbild als Vorbild

Das Ebenbild ist, so ergab sich uns, kein Gleichbild und Doppel-

gänger, vielmehr ein Sonderbild des Ganzen, da nur durch m a n -

n i g f a c h e Ausgliederung das Ganze in Gliedern darzustellen

ist. Im Begriff des Sonderbildes liegt daher, daß die Glieder auf

jeweils arteigene Weise Ebenbild sind; darum auch nicht alle

gleich ganzheitsnahe sind, was außer dem Rang auch das begründet,

was wir V o r b i l d l i c h k e i t nennen. Die Ebenbildlichkeit wird

grundsätzlich nicht vollständig und / nur ungleich in den einzel-

nen Gliedern und Teilganzen erreicht, daher steht ihr reiner Be-

griff als das Vorbild des Gliedes da. Und zwar ergibt sich: Die

Ganzheit in ihrer reinsten Natur und Fülle ist das Vorbild der

Teilganzen und Stufen; diese sind das Vorbild ihrer jeweiligen

Glieder.

Darum ist nicht der „Mensch schlechthin“ Vorbild, sondern stets

der Mensch als Angehöriger einer bestimmten Teilganzheit. Der

Held ist das Vorbild des Kriegers; der Heilige ist das Vorbild des

Gläubigen; der schaffende Künstler das Vorbild der Kunstge-

meinde (der Kunstgenießenden); der große Schöpfergeist das Vor-

bild der Künstler, zum Beispiel Mozart der musikalisch Schaffen-

den; der Lehrer das Vorbild der Lernenden; der Forscher das

Vorbild der Gelehrten; der Herrscher das Vorbild der Staatsmän-

ner; der Erfinder das Vorbild der Gewerbsleute; der Börsenmilliar-

där das Vorbild der Spekulanten und so fort.

In allen Geisteswissenschaften pflegt man heute das Vorbild zu vernachläs-

sigen, worunter namentlich Erziehungs- und Sittenlehre leiden. Um ein Beispiel

des verfahrenmäßigen Wertes dieses Begriffes auch aus einem entfernteren

Gebiet zu geben, sei es erlaubt, auf die Volkswirtschaftslehre hinzuweisen. — In

der individualistischen Volkswirtschaftslehre hat man die Vorbildlichkeit und die

schöpferische Wirkung des Vorbildes völlig übersehen, nicht einmal den Er-

finder vermag sie theoretisch zu würdigen. Wohl hört man von praktischen

Wirtschaftern öfters Bemerkungen wie: „Dieses Verfahren, diese Organisations-

form, diese Kreditform, diese Höhe der Leistung, der Geschicklichkeit ist erst

durch N. N. aufgekommen, ist erst in Nachahmung des Musters von..., in Be-

folgung des Beispieles von ... eingeführt worden.“ Eine solche einfache Bemer-

kung schließt aber bereits den Tatbestand, nämlich die P r o d u k t i v i t ä t des

wirtschaftlichen Vorbildes, auf. In Wahrheit ist der „beste Landwirt“, der

„beste Eisendreher“, der beste „Finanzmann“, der „beste Schneider“, die „beste

Hausfrau“ eines bestimmten Wirtschaftskreises, Marktes, Landes usw. stets von

der größten s c h ö p f e r i s c h e n Bedeutung dadurch, daß sie auch den Hö-

henstand der Leistungen jener mitbestimmen, anspornen, die unter ihnen stehen,