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Ähnlich, aber gleichförmiger verhalten sich die zur Kapitalbildung zurückgelegten
Summen. Diese werden (falls nicht fest verzinsliche Anlagen vorgezogen werden, wovon wir
hier absehen) zur Ausdehnung der Geschäftstätigkeit (Vergrößerung der Betriebskapitalien,
Einstellung neuer Maschinen und dergleichen) verwendet. Nach B ö h m - B a w e r k s Satz
von der Mehrergiebigkeit der größeren Produktionsumwege kann die volkswirtschaftliche
Wirkung nur: V e r b i l l i g u n g d e r E r z e u g n i s s e j e n e r W i r t s c h a f t s -
u n d H a n d e l s z w e i g e s e i n , w e l c h e v o n d e r K a p i t a 1 s e r
h ö h u n g b e l e b t w u r d e n , was wieder bedeutet, daß K a u f k r a f t aller
betroffenen Verbraucher f r e i w i r d , so daß dieselbe Hauptwirkung wie oben sub 2 ein-
tritt. Zudem ist zu bemerken, daß dieser Vorgang der Kapitalbildung schon an sich dieselbe
Bedeutung wie eine Verbilligung, ein Produktivitätsfortschritt hat, indem durch ihn der
Volkswirtschaft, sei es Real-, sei es Geldkapital reichlicher als vorher zur Verfügung steht (was
mit der Teuerung des Geldes und Kapitals in Aufschwungszeiten wohl vereinbar ist, weil eben
die Nachfrage — schon infolge der Bewegung sub 2 — noch mehr steigt).
Auf diese Weise sowohl, wie durch den sub 2 geschilderten Vorgang werden also neue
Funktionszweige der Volkswirtschaft, neue Schichten der Bevölkerung von der gleichen
Bewegung ergriffen. Innerhalb dieser neuergriffenen Schichten können abermals dieselben
Vorgänge entstehen und neue Kapitalbildung, neue Verbilligungen können folgen.
So b e t r a c h t e t e r g i b t s i c h T e u e r u n g u n d A u f s c h w u n g
e n d l i c h i n j e n e m Z u s a m m e n h a n g e , d e r d e n t ä g l i c h e n
W i r t s c h a f t s e r f a h r u n g e n e n t s p r i c h t . Beobachtet man doch stets, wie z. B.
produktive Verbesserungen in gewissen Industrien (das heißt Industrialisierung gewisser
Gebiete), Kapitalzuführungen, Bahnbauten in verkehrsarmen Gegenden: Teuerung und
Aufschwung ziemlich zugleich herbeiführen. Der innige empirische Zusammenhang
zwischen beiden ist längst ein sicheres Ergebnis der Wirtschaftsgeschichte. E r k l ä r t m a n
d i e T e u e r u n g a u s d e r K a u f k r a f t s e n t b i n d u n g (entstehend durch
Verbilligungen), so hat man d a m i t a u c h d e n A u f s c h w u n g e r k l ä r t , indem
sich dieser sowohl aus weiter fortschreitenden Kaufkraftsentbindungen wie aus
fortschreitenden Ka- pitalisationen mit ihren belebenden Wirkungen aufbaut.
Muß so die echte, organisch aufsteigende Konjunktur als Ausdruck fortgesetzter
Kaufkraftsentbindungen begriffen werden, so ist selbstverständlich anzuerkennen, daß
Teilkonjunkturen und aufsteigende Bewegungen einzelner Funktionszweige der Wirtschaft
auch durch andere Ursachen z. B. große staatliche Bestellungen und ähnliche einmalige
Riesenaufwände (für Kanal-, Bahnbauten usw.) bewirkt werden können. Selbst
Produktionsverschiebungen und objektive Teuerungsvorgänge (Kostenerhöhungen) können
diese Bedeutung haben, wenn durch dieselben Einschiebung neuer produktioneller und
händlerischer Zwischenglieder bedingt ist. Die gegenwärtige Konjunktur liefert dafür ein
lehrreiches Beispiel. Indem immer mehr Getreide von Südamerika statt von Nordamerika
nach Europa kommen muß, werden die Frachtwege, Fahrzeiten und der nötige Schiffsraum
vergrößert, so daß Reeder, Schiffer, Kohlenwerke, Werften und ihre Hilfsgewerbe,
namentlich die schwere Eisenindustrie, reichlich beschäftigt werden. Man könnte meinen,
daß von solchen Bewegungen gleichfalls echte Konjunkturen ausgehen können (tatsächlich
hat man den gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Aufschwung damit wesentlich in
Zusammenhang bringen wollen); dies trifft aber nicht zu. Denn die durch Schiffer, Werften,
Eisenwerke usw. bewirkte Inanspruch
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