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Endlich kann die Zeit eben darum, weil sie von einem Zeitlosen
ausgeht, selbst nur etwas Ganzes, Abgeschlossenes, Gestaltetes sein,
keine Entwicklung ins Unendliche, keine Gestaltlosigkeit! Die
organische Zeit ist gestaltete Zeit: Gliederung der Zeit statt angeb-
licher „Relativität“, das heißt Gestaltlosigkeit, Ungegliedertheit.
Hiermit ist auch der schon oben
1
erwähnte Begriff der
Entsprechung
in der
Zeit
genügend geklärt. Sie ist die Entsprechung der Ganzheitszustände in ver-
schiedenen Entfaltungsstadien, die sinnvolle Bezugnahme der Ganzheitszustände
aufeinander in verschiedenen Stadien. Die Entsprechung in der Zeit reicht nicht
bloß von Augenblick zu Augenblick, sondern sie reicht durchgängig vom ersten
Ausgliederungsschritt der Ganzheit bis zum letzten und mittelbar von den fernsten
Vergangenheiten in die fernste Zukunft.
Zusatz über das Verhältnis von Ontologie und Geschichtsphilosophie
Wenn die Lehre von den Urweisen des Seins Ontologie ist, das reale Sein
aber durchaus die Weise der Umgliederung hat, so wird sie damit notwendig zur
Geschichtsphilosophie. A l l e K a t e g o r i e n l e h r e m ü n d e t i n d i e A u f -
g a b e e i n e r G e s c h i c h t s p h i l o s o p h i e
2
.
§ 20. Die Ebenbildlichkeit in der Zeit
(Abstammung, Artbeständigkeit, Kreislauf, Zeitstufe, Jung-
geburt und Schicksal)
Lehrsatz 10: Die Umgliederung hat die Weise der Umgliede-
rungsordnung, und zwar: als Gründung und Entfaltung; ferner
die Weise der Ebenbildlichkeit in der Zeit, und zwar: als aus-
legende Ebenbildlichkeit die Weise der Abstammung und Art-
beständigkeit, als abstufende Ebenbildlichkeit die Weise von
Zeitstufe, Kreislauf und Junggeburt, als lebendigmachende
Ebenbildlichkeit die Weise des Eigenlebens des Gliedes in der
Zeit oder des Schicksals
Der Begriff von Gründung und Entfaltung als abgeleitete Kate-
gorie der Umgliederung wurde schon entwickelt
3
.
1
Siehe S. 180.
2
Über die gesamten Fragen der Umgliederung vgl. noch weiter die §§ über
„Schicksal“ (§ 20, III, S. 205 ff.), über „Eingliederung“ (§ 26, S. 238 ff.), „Ge-
zweiung“ (§ 27, II, S. 257 ff.) und „Persönlichkeit“ (§ 29, S. 266 f.); ferner mein
Buch: Geschichtsphilosophie, Jena 1932 (= Ergänzungsbände zur Sammlung
Herdflamme, Bd 5).
3
Siehe oben S. 185.