[219/220]
201
Das Ganze muß auch im Laufe der Umgliederungen und der
Zeugungen sich selbst treu bleiben, darin besteht sein Wesen, seine
Weise der Verwirklichung, die Ebenbildlichkeit!
Auch aus dem Satz: „Das Ganze ist vor dem Teil“, folgt die Art-
beständigkeit. Indem es vor dem Teil ist, bleibt es bei sich selbst und
kann daher in der Fülle von Abwandlungen und Mannigfaltigkeiten
der Umgliederungen sich nicht verlieren.
Beispiele für unseren Satz der Artbeständigkeit finden sich nicht nur im orga-
nischen Leben, wo aus dem Taubenei stets nur eine Taube entsteht, sondern auch
in der Gesellschaft. Hier gelten für die genetische Aufeinanderfolge zum Beispiel
die Sätze:
Anstalt kommt nur aus Anstalt, Staat nur aus Staat, Recht nur aus Recht,
Gezweiung nur aus Gezweiung, Kunst nur aus Kunst, Wirtschaft nur aus Wirt-
schaft, Leistung nur aus Leistung. Alles Gliedliche überhaupt kann nur unter
Bewahrung der Ebenbildlichkeit in der Umgliederung entstehen und muß daher
artgleich sein.
Im einzelnen findet der Leser die Beweise für die obigen Sätze in meiner
„Gesellschaftslehre“, worauf ich der Kürze halber und weil es sich vom Stand-
punkt der Seinsweisen wohl ohnehin um einleuchtende Dinge handelt, hier ver-
weisen darf
1
.
Die Sätze über die genetische Artgleichheit, wie „Leistung folgt aus Leistung“
usw., schließen sich an die Zeitstufen in der Umgliederung
2
an; ferner an die
Weise der „Unberührtheit der Teilganzen“
3
.
/
B. Der F o r t s c h r i t t
Doch entsteht dabei die Frage: Woher kommt aber dann der
vielberühmte Fortschritt? Die Antwort darauf lautet zunächst, daß
ein mechanischer, nie endender Fortschritt nicht möglich sei; der
sogenannte Fortschritt muß vielmehr stets notwendig im Rahmen
der Ganzheit bleiben. „Fortschritt“ in diesem Sinne ist also nur
1
Vgl. mein Buch: Gesellschaftslehre,
z.
Aufl., Leipzig 1923, S. 436 und
öfter [3. Aufl., Leipzig 1930, S. 435 und öfter]. Für die a n o r g a n i s c h e
N a t u r gälte nach atomistischer Deutung ebenfalls die Kategorie der Abstam-
mung aus Gleichem, nämlich gleichen Elementarteilen, z. B. des Wassers stets
aus H2 und O. Wir sehen aber in den chemischen Stoffen, sogenannten „Ver-
bindungen“, entgegen allem Atomismus keine bloße Umgruppierung von Atomen,
sondern ein n e u e s W e r d e n . Unser Satz ist hier einzuschränken: Stoffe be-
stimmter Art werden auf Grund bestimmter, artgemäßer Voraussetzungen, z. B.
Wasser auf G r u n d von H2 und O, nicht aus H2 und O.
2
Siehe unten S. 203 f.
3
Vgl. unten § 28, S. 258 ff.