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Späterem vorgreifen, aber dennoch verständlich zu bleiben hoffen, im seelischen
und gesellschaftlichen Leben:
(a)
Zeugnisse der höchsten Rückverbundenheit des Menschen in der letzten
Urmitte, in Gott: die Zustände der Abgeschiedenheit, Entrückung, Ekstase
1
und, soweit sie dazu gehören, der ekstatischen Askese; ferner die religiösen
Regungen jeder Art und jeder Zeit, in allgemeinster Form die Andacht, in be-
sonderer Form das Gebet, und die Gottesliebe. Die Menschen höchster Rückver-
bundenheit sind Menschen innerer Abgeschiedenheit, die religiösen Menschen, die
Heiligen. Ihr Gepräge ist allerdings nicht in allen Kulturen und Religionen
gleich.
(b)
Zeugnisse der Rückverbundenheit im jeweiligen konkreten Ausgliederungs-
zentrum des Lebens (worüber ebenfalls später mehr). So- / wohl als Glied
eines gemeinsamen Handelns, wie als Glied geistiger Gezweiung zeigt der Mensch:
Pflichtbewußtsein, Treue, besonders Gefolgschafts- und Mannentreue, Liebe.
Jedes Einstehen des Einzelnen für das Ganze, geistig oder handelnd, ist Zeugnis
der Rückverbundenheit in konkreten Gemeinschaften.
(c)
Zu dem seelischen Ausdruck der Rückverbundenheit kommt auch ein im
engeren Sinn gesellschaftlicher. Er äußert sich im Einstehen der Gesellschaft für
den Einzelnen, daher jede Art von Fürsorge, Sicherung, Aufgehobenheit des
Einzelnen im Ganzen hierher gehört. Rechtspflege, Erziehungsvorsorgen und
Sozialpolitik sind besonders hervorstechende Erscheinungen solcher Hilfeleistung
2
.
Ein weiteres Beispiel der Rückverbundenheit bietet das Enthaltensein der
niederen Stufe in der höheren, das wir nun ausführlicher behandeln werden.
II. Der Stufenbau der Glieder als Befassen des Unteren durch das
Obere und als Enthaltensein des Unteren im Oberen betrachtet
Das Gegensatzpaar: Insichbleiben und doch Außersichsetzen von
Seite des Ganzen; sich-selbst-gleich-Sein und doch im-Grunde-
Sein von Seite des Gliedes findet sich in arteigener Weise im ge-
samten Stufenbau der Ausgliederung.
Jede Ganzheit zeigt das Bild, daß die unteren Glieder in den
oberen zunächst „potentiell enthalten“ sind. Die Ü b e r h ö h u n g
des Niederen durch das Obere ist in der Ganzheit ja keine räumlich-
physikalische, wie etwa eine Bergspitze höher ist als die Talsohle;
sondern worauf könnte sie anders beruhen denn auf einer Art „Ent-
haltensein“, „Resorption“ des Unteren durch das Obere?
Ein Grundfall, in welchem dieses Enthalten- und Aufgehobensein
des Unteren i m Oberen (oder umgekehrt das Befassen des Unteren
d u r c h das Obere) besonders deutlich zum Ausdruck kommt, ist
1
Uber die später noch zu sprechen ist, siehe unten S. 236.
2
Vgl. unten § 30, S. 271 ff.