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kannt, von den Upanischaden und Plotin an bis zu Eckehart und
seinen Nachfolgern ist dieses bezeugt. Darum möge ein Spruch von
Angelus Silesius diese Erörterung beschließen:
Ich weiß nicht, was ich bin, ich bin nicht, was ich weiß,
Ein Ding und nicht ein Ding: Ein Tüpfchen und ein Kreis.
Alle unsere Primitiv-Philosophen, als da sind Empiristen, Relati-
visten, Positivisten, Sensualisten, naturwissenschaftliche „Moni-
sten“, philosophische Atomisten, Mechanisten, werden über Magie
des Seinsbegriffes, über Mystik, über dämmerndes Halbdunkel,
über Verstoß gegen das Handgreifliche, über Romantik, oder was
ihnen sonst das Übel der Welt dünkt, ein Geschrei erheben und den
Begriff der Selbfremdheit ablehnen. Aber die Tatsache, auf die die-
ser Begriff hinweist, wird als eine Grund- und Ursäule alles Daseins
in der Welt anerkannt werden müssen. Sie kann nicht aus der Welt
geschafft werden. Selbst wenn, wie für die Atomisten, die Welt aus
Flugsand bestünde, müßte sie doch zugleich auch aus dem kosmi-
schen Taifun herrühren, der, solange er nicht in den Wärmetod ent-
schlummert ist, doch immerhin der Daseinsgrund von Konfigura-
tionen und Zerstäubungen wäre, ein Taifun also, in dem die ak-
t u i e r t e n Wirbel alle als P o t e n z e n enthalten sein müßten,
so daß auch in diesem Fall noch ein Schimmer von Selbfremdheit
übrigbliebe.
Das Zugleich von Einerleiheit und Selbfremdheit ist auch ein Zu-
gleich von Transzendenz und Immanenz, womit die wichtigste
Frage der I d e e n l e h r e gelöst ist
1
.
Zusatz 2. Über die Selbständigkeit oder das Eigenleben
des Rückverbundenen
Der Begriff der Rückverbundenheit des Gliedes im Ganzen ist
kein Widerspruch zum Eigenleben des Gliedes. Das untere Organ ist
eine A u s f ü h r u n g des oberen, gerade darum ist es sowohl in
seiner Besonderheit wie in seiner Selbständigkeit vorhanden. „Rück-
verbundenheit“ sagt hier nur, daß das obere Ganze auch die Fähig-
1
Weiteres über den Seinsbegriff siehe unten S. 283 ff. und drittes Buch, zwei-
ter Abschnitt, S. 315 ff.