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erscheinbare, ist in jedem Gliede ganz und unmittelbar ent- / halten.
Ebenso gründen umgekehrt alle Glieder im Fünklein als in ihrer
letzten Wurzel und ratio.
Wer das Vorstehende ernsthaft überlegt, kann zu dem Einwand,
daß es sich beim „Fünklein“ um einen unklaren, unvollziehbaren
Begriff handle, nicht kommen. Wir haben es an handgreiflichen
Beispielen gezeigt, daß es den Gliedern über ihre Verschiedenheit
hinweg zukommt, unmittelbar im letzten, selber unausgegliedert
Rückverbindenden der Ganzheit zu wurzeln, oder umgekehrt aus-
gedrückt: daß das Ganze in jedem Gliede ganz und ungeteilt (un-
ausgegliedert) und damit auch unmittelbar wohne. Daß zum Bei-
spiel die Prämisse, die den Folgerungen gegenüber unausgegliederter
Grund ist, daß die Prämisse in allen Gliedern der Schlußkette ganz,
ungeteilt und unmittelbar zugleich sei („stillschweigende Voraus-
setzung“ ist, wie man wohl zu sagen pflegt); daß der Unternehmer
als „Seele seines Betriebes“ ganz und ungeteilt in jeder Phase, Ab-
teilung und Handlung des Betriebes mit dabei sei; daß der Feld-
herr mit seinen Plänen ganz und ungeteilt die „Grundlage“, das
heißt das Allgemeine, die „Seele“ aller Unternehmungen des Heeres
bilde — diese und andere Beispiele halten jeder nüchternen Zerglie-
derung stand und beweisen, was wir behaupteten.
Der Begriff des „Fünkleins“, so sagten wir eingangs, sei alt. Wenn
er auch früher nicht im Rahmen des Ganzheitsbegriffes gefaßt
wurde, so haben wir dem uralten Gedanken doch nichts Neues hin-
zugefügt. Denn er findet sich in wesentlich der gleichen Fassung in
den metaphysischen Systemen Indiens, Chinas, Griechenlands, des
Mittelalters und des deutschen Idealismus immer wiederholt, be-
sonders auch in der Form, daß die S e e l e ganz in allen Gliedern
wohne und in ihrem höchsten Vermögen, der Vernunft, forma
formarum, Form aller Formen sei, wie ein aristotelisches Wort
lautet
1
. Wir lassen / unten einige kurze Hinweise über unseren
Begriff in der deutschen Mystik, bei Aristoteles und bei Fichte
folgen.
Zuletzt möge noch eine Bemerkung über die Art der „Imma-
nenz“ des Fünkleins in den Gliedern am Platz sein. Wenn der
Begriff des Fünkleins im Sinne der Ganzheit gedacht wird, so kann
1
Aristoteles: De anima, 432 a 3. Vgl. unten Zusatz 2, S. 232 f.