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Zusatz 1. Das Fünklein in der deutschen Mystik

Der absolute Grund ist für jede Ganzheit und darum auch für die mensch-

liche Seele zugleich der absolute Weltgrund oder Gott. Der größte deutsche

Mystiker, Meister Eckehart, sagt: „Swenne sich der msnsche bekêret von ime

selben unde von allen geschaffenen dingen, als vil dû daz tuost, als vil wirst du

geeignet unde gesêliget in dem f ü n k e l i n d e r s e l e , daz zît noch stat nie

beruorte. Dirre funke widerseit allen crêatûren [widersteht allem Geschaffenen]

. . . “ . . unde von dirre unbewegelichkeit [des Fünkleins] werdent beweget alliu

dinc und empfangen alliu leben.“

1

Eckehart gebraucht auch für das Fünklein die

Bezeichnung „H ü t t e d e s G e i s t e s “ , „ K l e i d h a u s G o t t e s “ , „ d i e

s t i l l e W ü s t e“. „Da, wo die Zeit nie innekam, worein nie Bilder geleuch-

tet .. ,“

2

.

An einer anderen Stelle sagt Meister Eckehart: „Ich habe es auch sonst ge-

sagt: daß eine Kraft in der Seele ist, die nicht an Zeit noch Fleisch rührt, die aus

dem Geiste fließt und in dem Geiste bleibt und völlig geistig ist. In dieser Kraft

ist Gott blühend und grünend mit all der Freude und all der Herrlichkeit, wie

er in sich selber i s t . . . denn Gott ist in dieser Kraft wie in dem ewigen Nun.“

3

T a u

l

e r spricht vom Fünklein in der Seele: „Gott liegt verborgen und

bedeckt im verborgenen Grunde.“

4

— „Die Seele hat einen Funken, dessen Durst

Gott nur mit sich selbst stillt, ja im inneren Grunde ist Gott der Seele näher

und inwendiger als sie sich selbst.“

5

/

Zusatz 2. Aristoteles, Samkhya-Lehre, Plotin, Thomas

In allen großen metaphysischen Systemen ist der Begriff des Fünkleins vor-

handen. In A r i s t o t e l e s ’ Lehre von Form und Materie sowohl wie in jener

vom „unbewegten Beweger“.

Der Begriff der Form fordert, daß das wirkliche Ding nicht etwas Ungeformtes

enthalte, daß es durch und durch geformt sei und somit die Form nicht an irgend-

einer Stelle weniger anwesend oder wirksam sei als an einer andern — anderseits

aber selber unverformt, unerschöpft, unausgegliedert sein muß. Das zeigt sich be-

sonders deutlich an der aristotelischen Seelenlehre. Die Seele ist ihm „in Weise

der Form Substanz“ des Körpers,

άνάγκαϊον άρα νήν ψυχήν ονοίαν είναι, ώς

εϊδοςαώματος

. .

6

und darum ist sie der „erste Aktus“, „erste Entelechie“ des

Körpers. „Daher braucht man nicht zu fragen, ob Seele und Leib eins sind, so

wenig wie, ob ... der Stoff und das, dessen Stoff er jeweilig ist, es sind. Denn ob

schon eins und Sein vieldeutig sind, so ist doch beides im eigentlichen Sinne der

Aktus.“

7

1

Meister Eckehart, Ausgabe Pfeiffer, ... S. 193, Zeile 30, und S. 194,

Zeile 6

.

2

Meister Eckehart, Ausgabe Pfeiffer, ... LXVI, S. 206 ff. und S. 110,

Zeile 18.

3

Meister Eckehart, deutsch von Josef Bernhart, Kempten 1914, S. 53 f.

(= Sammlung Kösel, Bd 77).

4

Johannes Tauler: Schriften und Predigten, neuhochdeutsch von Walter

Lehmann, 2 Bde, Jena 1912, Bd 1, S. 22.

5

Johannes Tauler: Schriften und Predigten, ... Bd 1, S. 151.

6

Aristoteles: de anima, 412a, 19 ff.

7

Aristoteles: de anima, 412a, 3 ff., angeführt in der Übersetzung von

Eugen Rolfes: Die Philosophie des Aristoteles als Naturerklärung und Weltan-

schauung, Leipzig 1923, S. 287.