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„Beziehung“, unmittelbare „Wechselwirkung“ zwischen Gliedern
einer Ganzheit und darum zuletzt überhaupt nicht zwischen Din-
gen, welcher Art immer; es gibt nur ein gemeinsames Gründen
der Glieder in der gleichen Mitte. Wenn man schon das Wort „Be-
ziehung“ gebrauchen sollte, so müßte man sagen: Die Glieder und
Teilganzen haben eine unmittelbare „Beziehung“ nur zu ihren
Mitten, zum befassenden Ganzen; niemals zu anderen Gliedern
und Teilganzen.
Diese Tatsache, daß die Glieder niemals unmittelbar miteinander
in „Verkehr“, in „Verbindung“ sein, aufeinander „wirken“, sich
aufeinander „beziehen“ können, nennen wir die Beziehungslosig-
keit oder Unberührbarkeit der Glieder und Teilganzen.
Für das Blut — einmal in seiner eigenen Seinsebene und Lebensform vorge-
stellt — gibt es keine „Muskeln“. Für das Blut existieren die Muskeln, in denen
es zirkuliert, nur als „Gefäßwände“, also gleichsam als Blutkammern, als Arbeits-
feld, als Stätte des Blutverbrauches oder der Bluternährung, als das mit Blut zu
Erfüllende usw. — also immer als Gegenstand der Blutfunktion und in diesem
Sinn als etwas Blutartiges. — Für die motorischen Nerven sind die Muskeln nur da
als ein zu Kontrahierendes, ein zu Innervierendes — also nur als Gegenstand für
Nervenleistung, als Arbeitsfeld für die Nerven und in diesem Sinn als eine Art
von Nerv selbst. — Für den Muskel wieder gibt es Blut nicht als Blut (das ja als
ein eigenes Organsystem in Gefäßen seinen Umlauf nimmt), sondern nur als
Feld oder Teil des Muskellebens selber, zum Beispiel als das, was „Zufuhr von
Nahrung“, „Abfuhr von verbrauchten Stoffen“ darstellt, kurz, als Muskeler-
nährung, und damit existiert im letzten Grund Blut für den Muskel nur, sofern
es Muskel-Tätigkeitsfeld und in diesem Sinn selbst Muskelbestandteil ist; ebenso
gibt es „Nerv“ für ihn nur in seiner Eigenschaft als eine bestimmte Lebensfunk-
tion, Lebensart des Muskels, nämlich als „Kontraktion“ usw. Vermittelndes. Im
Sinn dieser Darlegung gilt daher: M u s k e l l e b t m i t B l u t u n d N e r v
n u r , s o f e r n b e i d e s e l b s t M u s k e l a r t h a b e n ; N e r v l e b t m i t
B l u t u n d M u s k e l n u r , s o f e r n b e i d e N e r v e n - / a r t h a b e n ;
eine andere Berührungsweise, eine andere Beziehungsart zwischen beiden ist
nicht vorhanden. Das heißt aber nichts anderes als: Der Nerv lebt nur in seiner
Glied- und Verrichtungseigenschaft im Ganzen; ein anderes Verhältnis als das
zum Ganzen, seiner Mitte, hat er nicht. Blut lebt nur in seiner Glied- und Ver-
richtungseigenschaft im Ganzen; ein anderes Verhältnis zum Ganzen, seiner
Mitte, hat es als Teilganzes nicht. Dasselbe gilt nun für Organsystem und jedes
Glied. J e d e s O r g a n s y s t e m l e b t n u r i n d e r A r t s e i n e r V e r -
r i c h t u n g s e i g e n s c h a f t . Das bedeutet immer: Gründen in der Ganzheit,
bedeutet „Beziehung“ zum Zentrum, nämlich Mittewendigkeit, nicht aber Be-
ziehung zu einem a n d e r e n Teile. — Darum kann es auch für das Auge nur
Licht geben, niemals Schall, denn es muß in
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seiner Gliedhaftigkeit verbleiben;
für das Ohr nur Schall, niemals Licht, denn es muß in seiner Gliedhaftigkeit,
seiner
Mitte
verbleiben.
Was
man
in
m a t e r i a l i s t i s c h e r
B e -
z e i c h n u n g d i e „ s p e z i f i s c h e E n e r g i e d e r S i n n e s o r g a n e “
n a n n t e , i s t i n W a h r h e i t e i n a l l g e m e i n e s L e b e n s g e s e t z
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