Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4142 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4142 / 9133 Next Page
Page Background

270

[296/297]

Diesen Gedanken hat auch der j ü n g e r e F i c h t e festgehalten, wenn auch

seine Darlegung an Schärfe zu wünschen übrig läßt. Er äußert sich darüber in

seiner „Psychologie“ in folgender Weise: „ D a s . . . Wesen unseres Geistes ent-

wickelt zunächst seine Grundanlagen an der Wechselwirkung mit dem Andern

[nämlich der Außenwelt] zum B e w u ß t s e i n dieses A n d e r n . . e s wird

darin zum „S u b j e k t“, einem „O b j e k t“ gegenüber . . J e d o c h sagt

Immanuel Hermann Fichte, es könnte nicht verborgen bleiben, „daß i n n e r -

h a l b des Rahmens jener... Grundverhältnisse es bestimmte Bewußtseins-

zustände gibt, welche sich durchaus nicht erklären lassen aus der bloßen W e c h -

s e l w i r k u n g von . . . Geist und Außenwelt, bei d e n e n w i r v i e l m e h r

e i n v o n I n n e n h e r a u f d e n G e i s t u n d s e i n B e w u ß t s e i n

w i r k e n d e s P r i n z i p a n z u e r k e n n e n g e n ö t i g t s i n d . . . ein Ver-

hältnis daher, in welchem... ein Höheres in [den Geist] eingeht, E i n s mit

ihm wird und d u r c h i h n sich offenbart“

1

.

Zusatz über einige Einwände

(1) Der Einwand, unser Persönlichkeitsbegriff schließe die P e r s ö n l i c h k e i t

G o t t e s aus, da Gott nicht in einem Höheren rückverbunden sei, wäre unzu-

treffend. Unser Persönlichkeitsbegriff ist allerdings von der Analysis des Aus-

gegliederten hergenommen. Und auf der Ebene des Vorseins, das heißt hier

Gottes, kann das Merkmal der Rückverbundenheit in einem Höheren im buch-

stäblichen Sinne freilich nicht mehr gelten. Das widerstreitet aber dem durch-

dachten Theismus nicht, welcher der Gottheit Persönlichkeit zuspricht, eine

Wahrheit, der wir uns anschließen. Aber bei Gott handelt es sich um den Begriff

der a b s o l u t e n P e r s ö n l i c h k e i t , der schließlich nicht nach endlichen

Kategorien bestimmt werden kann. Das Ausgegliederte bedarf der Rückverbin-

dung, und zwar der höchsten, unmittelbarsten zu seiner eigenen Überhöhung,

um zur Persönlichkeit zu gelangen. Das Rückverbindende, Gott, bedarf dagegen

dieser letzten Begründung oder Selbst- / Überhöhung durch ein Höheres nicht

mehr, weil es schon seinem Wesen nach vollkommene Selbstbegründung, Zen-

trierung, Selbstmächtigkeit ist. Gerade die Rückverbindungskategorien eröffnen

uns daher in bisher nicht erreichtem Maße das Verständnis der absoluten Per-

sönlichkeit; indem sie nämlich die Mittel zeigen, durch welche das Ausgegliederte

(die Wesen spurenweise, der Mensch in hohem Maße) zur Persönlichkeit gelangt.

Ohne das absolute Sein durch Vermenschlichung zu verkleinern, zeigt uns der

Begriff der Rückverbindung Züge an ihm, die wir als höchste Persönlichkeit ver-

stehen, kein unpersönliches Pneuma!

(z) R e c h t f e r t i g u n g d e r v i e r B e s t a n d t e i l e d e r P e r s ö n -

l i c h k e i t . — G a n z h e i t , P e r s ö n l i c h k e i t , S u b s t a n z . Man könnte

sagen, unser Persönlichkeitsbegriff sei zu verwickelt, es genüge, Individualität und

Persönlichkeit zu unterscheiden. Ganzheit, Eigenleben der Ganzheit sei ja schon

Persönlichkeit, denn sie habe ihrem Begriff nach den inneren Einheitspunkt in sich.

Die nähere Überlegung zeigt aber, daß Eigenleben, Unberührbarkeit und

Selbstaufhebung dennoch unterschieden werden müssen. Die aus Eigenleben

wie Unberührbarkeit folgende innere Selbstbezogenheit ist nur in der Geschlos-

senheit nach außen, nur dem „Objekt“, dem „Reiz“ gegenüber da. Man muß

begreifen, daß niemand sich sozusagen am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen

kann, sondern jeder sich irgendwo anhalten, das heißt von Anderem unter-

1

Immanuel Hermann Fichte: Psychologie, Die Lehre vom bewußten Geiste

des Menschen, 2 Bde, Leipzig 1864—73, Bd 1, Leipzig 1864, S. XXIV f.