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sammenhängen besprochen. Nunmehr, nach völliger Entwicklung

des ganzheitlichen Begriffsgebäudes sind wir gerüstet, das Ganze zu

überblicken und unser Verhältnis zu den überlieferten Kategorien,

die auch in das Verfahren der Wissenschaften eingedrungen sind,

besonders zu den Aristotelischen, Kantischen und empiristischen,

festzustellen.

I. Einheit und Vielheit

Diese Kategorien, die schon Platon im „Sophistes“ und „Parme-

nides“ behandelte, kommen zwar nicht dem Namen, wohl aber

ihrer tieferen Bedeutung nach in der ganzheitlichen Kategorien-

lehre vor. Der Grund, warum wir die Ausdrücke „Einheit“ und

„Vielheit“ lieber vermeiden, ist der quantitative Sinn, der mit

ihnen auch verbunden wird und gegen den sich das streng ganz-

heitliche Denken sträubt

1

. Der Ausdruck „Einheit“ ist mehrdeu-

tig. Wir haben zu unterscheiden:

(1)

die Einheit als Wurzel, als das noch Unausgegliederte, als die

Ganzheit an sich;

(2)

die Einheit der schon ausgegliederten Glieder. Sie wird durch

die Rückverbundenheit in der unausgegliederten Einheit gebildet,

so daß die „Einheit als Wurzel“ und die „Einheit der Glieder“ in

dem Sinne dasselbe ist, daß das Unausgegliederte eben die Grundlage

des Ausgegliederten bildet;

(3)

die Einheit als „Eins“ (Hen), als Gegensatz zu „Vielen“. /

Die Ganzheit als das Unausgegliederte (erste Bedeutung von

„Einheit“) und die Ganzheit als das Rückverbindende (zweite Be-

deutung von „Einheit“) können wir sehr wohl als „Einheit“ be-

zeichnen. Einheit hat dann den Sinn von Innigkeit, Einigkeit der

Glieder, des Ungeschiedenen, in dem sie sich zusammenfinden, nicht

aber den Sinn der Zahl „Eins“, welche „Vielen“ gegenüberstünde.

Wir können also wohl von „Einheit und den Gliedern“ sprechen,

nicht eigentlich aber von „Einheit und Vielheit“, weil die Glieder

aufhören, Glieder zu sein, sobald sie als „viele“ gefaßt werden.

„Vielheit“ ist bloßes Nebeneinander. Das bloße Nebeneinander

aber, so zeigte sich, ist nicht bestandfähig, also nichtig, nicht seiend;

1

Bei Platon heißt es denn auch richtig

„άλλα“

und nicht „viele“, z. B. Par-

menides, c. 18 ff.