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scheiden müsse. Dazu ist schon die Gezweiung der erste Schritt. Aber erst der

Grund, den eine Ganzheit in der h ö h e r e n Ganzheit findet, ist jener Punkt,

an dem sie sich gleichsam befestigen, der Nagel, an dem sie sich anhängen kann.

N i c h t e i n P u n k t „ a u ß e r h a l b d e r W e l t “ i s t e s , v o n d e m

a u s m a n d i e W e l t a u s d e n A n g e l n h e b e n k ö n n t e , wie Archi-

medes gefordert hat; s o n d e r n i h r e i n n e r l i c h e M i t t e , jene höchste

Mitte, der sie selbst gliedlich zugehört, ist es, von der man auf sie wirken kann!

Ihre eigene Mitte allein ist der feste Punkt, auf den die jeweilige Ganzheit sich

zu beziehen, jener Hintergrund, von dem sie sich abzuheben, durch den sie

darum erst höchste Ichförmigkeit zu erlangen vermag. Die Teilnahme des Gliedes

an dem Grunde seiner höheren Ganzheit sichert ihm die U n m i t t e l b a r k e i t ,

die alles Ichförmige, Persönliche auszeichnet.

Jede Ganzheit, in ihrer Eigenschaft als das Geschlossene und sich selbst Aus-

gliedernde gefaßt, ist bereits das, was die aristotelische und scholastische Philo-

sophie S u b s t a n z

ονοία

,

essentia, Wesenheit) nannte, und dem sie das

A k z i d e n z

(

συμβεβηχός

,

das Mit-Zukommende) als die wechselnden, nicht-(

wesentlichen Eigenschaften der Substanz gegenüberstellte. Der Begriff der Ganz-

heit mit ihren Gliedern (Akzidentien) hat vor dem der / Substanz den Vorteil,

daß er das Verhältnismäßige der Selbständigkeit zum Ausdruck bringt: die Ganz-

heit ist nach unten hin „Substanz“, nämlich ausgliedernd, nach oben hin Eigen-

schaft, Akzidenz, ausgegliedert.

Es ist aber klar, daß „Substanz“ noch nicht einerlei mit „Persönlichkeit“ ist.

Was Substanz ist, muß erst noch einen Hintergrund, von dem aus sich erst seine

eigene ausgliedernde Einheit abhebt, bekommen, um zur Persönlichkeit zu wer-

den; muß erst noch durch Selbstaufhebung in seinen Grund etwas hinzube-

kommen

1

.

§ 30. Die Vollkommenheit der Rückverbundenheit.

Rückverbundenheit und Sittlichkeit

Während die ebenbildliche Ausgliederung eine sachliche Urweise

ist, die dem Glied Art und Wesen verleiht, fügt die Rückverbunden-

heit dem Inhalt nichts hinzu; sie ermöglicht aber erst die Geburt

des Gliedes, bindet seine Mannigfaltigkeit zur Einheit und schließ-

lich zur Persönlichkeit. Darum ist Rückverbundenheit sowohl (erst

nachträglich) vollendend, wie (schon vorher) bedingend. Als Bedin-

gender kann ihr eine arteigene Vollkommenheitsweise nicht zu-

kommen, da die Vollkommenheit erst im Bedingten, im Glied, er-

scheinen kann, als Vollendender jedoch kommt ihr arteigene Voll-

kommenheit zu. Diese besteht darin, daß das ausgegliederte Glied

sich dem Innebleiben in der Ganzheit fügt und hingibt, während es

sich nach der vita propria ja widersetzen könnte. Wir lernten dieses

1

Vgl. weiteres über den Substanzbegriff unten S. 354 ff.