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keine „Quantität des Urteils“, worauf Kant fälschlich die Kategorie
der Quantität gründete
1
.
Der Begriff der Qualität ist in seiner Art wohl gültig, aber zu
unbestimmt, als daß er wahrhaft eine Kategorie bezeichnen könnte.
Das Wesen der Qualität ergab sich uns als die ebenbildlich be-
stimmte Gliedhaftigkeit
2
.
V.
Zweck
Die Frage, warum Zweck dem ganzheitlichen Denken keine ur-
sprüngliche Kategorie sein könne, berührten wir schon öfters. Der
Begriff des Zweckes erwies sich nicht fähig, das Verfahren der
Wissenschaften zu bestimmen. Schon darum bezeichnet er keine
selbständige Seinsweise. Er ist nur von abgeleiteter Bedeutung und
neigt praktisch leicht dazu, ins Subjektive hinübergespielt zu wer-
den.
Geht man von dem Begriffspaar Ganzes — Glied aus, so erscheint
die Gliedhaftigkeit als Art des Enthaltenseins der Teile im Gan-
zen. Als unmittelbare Formen dieses Enthaltenseins zeigten sich
L e i s t u n g u n d R a n g . Diese sind also abgeleitete Katego-
rien, Kategorien, welche die Verfahren der Wissenschaft bestimmen.
(Eine „Leistungslehre“ und eine „Vorranglehre“ muß jede ganz-
heitliche Wissenschaft enthalten.) Dagegen führt erst eine weitere
Ableitung von diesen Begriffen zum Begriff des Zweckes. Der Zweck
ergibt sich aus dem Begriff der Leistung. Denn nur die Leistungen
konkretisieren auch die Zwecke, sie bringen diese erst zur Erschei-
nung. Der Zweck stellt sich so als eine abgeleitete Kategorie dritter
Ordnung dar. Es steht allerdings nichts im Weg, dem Zweck onto-
logisch und methodo- / logisch in dieser seiner eingeschränkten
Stellung seine Rechte einzuräumen. Wogegen wir uns wehren, ist
nur, den Zweck zum tragenden Begriff der wissenschaftlichen Ver-
fahrenlehre zu machen, wie dies namentlich die platonischen und
aristotelischen Schulen im Mittelalter versuchten
3
.
1
Siehe auch oben über „Urteilslehre“, S. 127 f.
2
Vgl. oben S. 94 f. und 144 f.
3
Vgl. oben S. 27 f. und 52 f.