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VIII. Beziehung und Ursächlichkeit
Beziehung oder Relation ist als die eigenste Kategorie des neu-
zeitlichen Empirismus zu betrachten, als die empiristische Ur-
kategorie. Die Ursächlichkeit ist, im weiteren Sinn genommen, mit
ihr identisch. Denn die Ursächlichkeit sagt die gleichförmige Ab-
folge von B auf A (Kant sagt „nach einer Regel“) aus, aber auch die
Gleichzeitigkeit (Simultaneität) der Erscheinungen nach einer Regel.
Die Gleichzeitigkeit ist es vornehmlich, von welcher die Beziehung
oder Relation ausgeht. Als Beziehung in der zeitlichen Abfolge
(Sukzession) umfaßt sie daher auch das Verhältnis von Wirkung
und Ursache. Demnach sind „Beziehung“, „Wechselbeziehung“ oder
„Wechselwirkung“ wieder dasselbe wie Ursächlichkeit (diese natür-
lich im mechanistischen Sinne zu verstehen, nicht etwa im aristote-
lischen Sinne).
Wir haben oben gegen die Kategorie „Beziehung“ die Kategorie
„Unberührbarkeit“ der Teilinhalte und Glieder gesetzt, die Tat-
sache, daß die Glieder einer Ganzheit u n m i t t e l b a r nur mit
der Mitte verbunden sind. G e g e n d i e U r s ä c h l i c h k e i t
s t e h t a l s o d i e G l i e d h a f t i g k e i t
1
.
Wohl stehen auch in der Ganzheit die Glieder zueinander „nach einer Regel“
in einem „Verhältnis“, aber in einem solchen, welches durch die Ganzheit v e r -
m i t t e l t ist. Versteht man den Begriff der „Beziehung“ nur in vermitteltem
Sinn, dann allerdings besteht er auch für die Ganzheitslehre zu Recht. Die
Ganzheitsanalyse findet aber nur Leistung, Rang, Entsprechung vor; und demnach
Änderungen eines Gliedes durch das andere Glied ausschließlich vermittels seiner
Leistungen, Ränge, / Entsprechungen und so fort, also niemals unmittelbare
„Wirkungen“ aufeinander, keine „Beziehungen“ (gemäß der Kategorie der „Un-
berührbarkeit“).
Die ganzheitliche Auffassung muß die Feststellung jeder bloß äußerlichen,
mechanistischen Abfolgeregel, eines Ursächlichkeitsgesetzes, als bloße Hilfser-
kenntnis, als Notbehelf betrachten und dafür die Erkenntnis eines s i n n v o l -
l e n Zusammenhanges fordern. Rein sprachlich genommen ist allerdings das
Wort „Ursache“ treffend, wenn es nämlich, wie bei menschlicher Tätigkeit,
eine s c h ö p f e r i s c h e Hervorbringung bezeichnet, damit aber zugleich einen
s i n n v o l l e n Zusammenhang. Denn im Begriff der Ausgliederung ist ein
schöpferisches Setzen durchaus enthalten. Dem tiefsten Geist der deutschen
Sprache entspräche es auch, dieses als Ur-Sache zu bezeichnen. Aber der seit
Jahrhunderten in der Philosophie und den Naturwissenschaften mit dem Worte
„Ursache“ verbundene mechanistische Sinn, insbesondere der rein mathemati-
schen Funktionalität, gebietet es, dieses Wort für den ganzheitlichen Gebrauch
Vgl. oben S. 19, 156 f. und 264 f.