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liche Spiegelung betrachten, wie etwa Worte in Lichtsignale umge-
setzt werden: der Schein deutet hier immer auf ein echtes Sein!
Der V o r r a n g d e s u n a u s g e g l i e d e r t e n S e i n s v e r -
b ü r g t d a s a u s g e g l i e d e r t e , n a c h g e o r d n e t e a l s
r e a l . Es ist nicht Lug und Trug, es spiegelt transzendente Wirk-
lichkeit in seiner Art wider. Da sich das Ganze in den Gliedern
darstellt, muß das Darstellende irgendwie den Seinsbestand des Dar-
zustellenden zum Vorschein bringen. Die Uhr zum Beispiel stellt
den / Uhrmacher, den Menschen als einen zeitmessenden, dar und
gibt damit ein W i r k l i c h e s des Menschen in ihrer Art (das
heißt wenn auch durch einen ganz äußerlichen Mechanismus vermit-
telt) wieder.
B. V o r - A u s g l i e d e r u n g d e s U n a u s g e g l i e d e r t e n
Die Frage, die sich hier erhebt, kann zuletzt nur die sein, ob dem
Ansich, dem Unausgegliederten, Lauteren der Ganzheit schon in sich
das zukomme, was wir in der Ebene des Ausgegliederten Gliederung
nennen, oder ob es eine ununterscheidbare „Einheit“ bilde? Hat das
Vorsein der Ganzheit sozusagen V o r - A u s g l i e d e r u n g , ist
also die Kategorie der Gliederung überhaupt in irgendeinem Sinne
anwendbar?
Und ferner: Gesetzt, das lautere Sein habe Vor-Ausgliederung,
stehen wir dann nicht doch vor der aristotelischen „Verdoppelung
der Welt“, indem dieselbe Mannigfaltigkeit und Gliederung wie in
der niederen Ebene in der höheren nochmals da wäre?
Wir stehen hier vor einer letzten Frage alles philosophischen
Denkens ebenso wie alles mystischen Erlebens.
Verfolgen wir diese Frage zunächst an einem handgreiflichen Bei-
spiel. Am besten wählen wir Vorgänge der schöpferischen Hervor-
bringung aus unserer geistigen Erfahrung. Wenn Goethe den
„Faust“ in seinem Geist entwirft, wenn Beethoven die Neunte Sym-
phonie ersinnt, so haben wir Erlebnisse, Entwicklungen, Handlun-
gen der Gestalten des „Faust“ und der Neunten Symphonie vor uns,
welche Goethe und Beethoven in ihrem Innern hervorbringen und
durch Worte oder Töne darstellen. Gegen diese noch innere Ebene
des Erlebens im schaffenden Geist steht die ausgegliederte Ebene: das