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Aber die ganzheitliche Kategorienlehre beleuchtet die Frage noch
von anderer Seite her.
Nach dem Satz: „Das Ganze stellt sich in den Gliedern dar“, ist
das Ganze „an sich“ darauf angelegt, sich auszugliedern. Zwar haben
wir keinen Grund, der uns einen A u s g l i e d e r u n g s z w a n g
anzunehmen hieße. Das verbietet allein schon die Tatsache ausge-
storbener Rassen und Kulturen der Menschen, ausgestorbener Arten
in der Erdgeschichte; das verbietet auch die Freiheit, die dem Vor-
sein um so mehr zukommen muß, als sie ebenbildlich dem ausgeglie-
derten Dasein, als Eigenleben, zukommt. Indessen, von jenen jeweils
schon ausgegliederten Ganzheiten, von denen wir aus existierenden
Gliedern den Be- / griff abnehmen können, gilt doch, daß ihr We-
sen erscheint, das Ganze an sich sich in Gliedern darstellt. Vom gül-
tigen Begriff ist demnach auf Dasein zu schließen. In diesem Sinne
gehören Wesen und ausgegliedertes Dasein zusammen.
Der Begriff des Seins ist dabei nicht einsinnig. Er bedeutet näm-
lich einmal das „Sein“ in der rückverbundenen Ebene, das Sein des
G a n z e n a n s i c h ; das andermal das Sein in den Gliedern, in
denen sich dieses Ansich darstellt, das ausgegliederte Sein. S e h e n
w i r a u f d i e b e i d e n E b e n e n d e s S e i n s , d a n n
s i n d a u s g 1 i e d e r n d e s u n d a u s g e g 1
i
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S e i n
o d e r W e s e n u n d D a s e i n g e t r e n n t ; sehen wir von die-
sem Unterschied ab, so g e h ö r t e s z u m W e s e n , t r a n -
s z e n d e n t u n b e d i n g t z u e x i s t i e r e n , u n d a u s g e -
g l i e d e r t z u e x i s t i e r e n d a n n , w e n n e i n r i c h t i -
g e r B e g r i f f v o n i h m g e b i l d e t w u r d e . Obzwar
kein absoluter Ausgliederungszwang herrscht, gehören doch im
Reich der Begriffe Wesen und Ausgliederung, das heißt Wesen und
Sein zusammen. Alle begrifflichen Wesensbestimmungen sind stets
solche am Ausgegliederten oder, mittels der Kategorien der Rück-
b d h i
A i h d A li d
D. S e i n u n d G e l t u n g
Auf das Verhältnis von Sein und Geltung stießen wir schon in
verschiedenen Zusammenhängen; die „Geltung“, das „Sollen“, der
„Wert“, so zeigte sich, kommt zum Sein nicht auf irgendeine unbe-