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Mineralogie verfahrenmäßig erst dann wird ganz auswerten kön-
nen, wenn sie sich von den ursächlichen und mechanischen Gesichts-
punkten, die sie heute beherrschen, frei macht. Dazu ist in neuesten
Begriffen wie „Mineralgesellschaft“ und „innere Korrelation der
Minerale“ bereits ein grundlegender Anfang gemacht.
Auch in den gesamten Tatsachen, welche die physikalischen und
chemischen Wissenschaften kennen, kann kein Widerspruch gegen
unseren Begriff des intermittierenden Seins gefunden / werden. Die
so oft von den Physikern hervorgehobene Grunderscheinung, daß
nichts Ruhendes in der Welt anzutreffen sei, ist es, die für uns
spricht. Diese Ruhelosigkeit, Veränderlichkeit wird freilich mate-
rialistisch immer wieder dahin gedeutet, als ob ein ein für allemal
Seiendes lediglich in den kleinsten Bestandteilen seinen Ort verän-
dere. Der Begriff des Atoms ist es vornehmlich, der unserem Seins-
begriff widerspricht; aber auch ferner der Begriff der Erhaltung
der Energie. Früher fand der Gedanke des ein für allemal Daseien-
den seinen allgemeinsten Ausdruck im sogenannten Satz von der Er-
haltung oder der „Unzerstörbarkeit“ der Materie. Diese Unzer-
störbarkeit stützte sich auf die unveränderliche „Masse“ der wäg-
baren Körper, wobei aber Masse nur den Sinn hat, daß sie in allen
Rechnungen als gleicher Faktor stehen bleibt. Gleichviel wie weit
nach d i e s e m Begriff (einer bloßen Konstanz im Wechsel) ein
stetiges Sein noch erfordert würde — da die „Erhaltung der Ma-
terie“ ein von der heutigen Physik ohnehin verlassenes Dogma ist,
bildet sie keinesfalls einen Beweisgrund gegen unseren Begriff des
unstetigen Seins. Wie verhält sich aber zu ihm das Dogma der heu-
tigen Physik von der Konstanz, das heißt Erhaltung der Energie?
Welche Bewandtnis es immer damit haben möge — für uns genügt
es: daß im Begriff der „potentiellen Energie“ die jeweilige Suspen-
dierung der aktuellen von der Physik selbst festgestellt wird. Der
Begriff der „potentiellen Energie“ ist es gerade, welcher verbietet,
die „Erhaltung“ in dem Sinne zu fassen, als ob die „Energie“ ein
in sich Beharrendes, das heißt selber wieder Materielles wäre, das
umgeformt und umgeknetet werden könnte. „Energie“ ist, als
kinetische, stets nur als ein im Setzen Begriffenes denkbar; eine
schon hervorgebrachte Energie — die man wie ein schlechthin sei-
endes Materielles allenfalls ansehen könnte — ist aber ein Wider-
spruch in sich, hieße eine tote Lebendigkeit. Es gibt also im physi-