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r u n g s g r u n d f ü r d a s G l i e d d a s a b s o l u t E i n -

f a c h e , U n o f f e n b a r e i s t oder seine Idee. Es ist nicht ein

absolutes Nichts oder die Leere, sondern das U n v e r f o r m b a r e ,

aus dem alle Form, das Unerscheinbare, aus dem alle Erscheinung

entspringt.

Blicken wir auf das Vorstehende zurück, so ergeben sich uns als im Wesen

der Ausgliederung, das heißt der Schöpfung, liegend folgende drei Bestimmungs-

stücke:

(1)

Das Schaffen als actus purus, als Selbstsetzung, als Setzen schlechthin. Man

könnte es passend das „Schöpfen im Grunde“ nennen;

(2)

das Schaffende (Setzende, das sich ausgliedernde Ganze) als Subjekt. In-

dem der Wirkende sich von seiner eigenen Wirksamkeit und Tat getrennt findet,

wird er seinem Gegenstand gegenüber erst zum Subjekt;

(3)

das Geschaffene (das Glied) als Gegenstand oder Objekt, wobei nicht an

einen greifbaren Gegenstand gedacht werden muß. Man kann auch an ein bloßes

Geschehen denken: Schon das Geschehen findet sich von dem Setzenden getrennt

und ein ihm gegenüber Objektives, zum Beispiel das erschaute Bild des Hauses

durch den schaffenden Meister, die im Fluß des Wirkens befindliche Tat des

Tuenden usw.

In l e h r g e s c h i c h t l i c h e r

H i n s i c h t möchte ich

hervorheben, daß der Gedankengang, in dem sich die vorstehende

Zergliederung bewegt, nicht neu ist. Er liegt, wie berührt, schon in

dem Satz F i c h t e s : „Das Ich setzt sich selbst“; wobei das Ich

als das „schaffende Subjekt“ zu verstehen ist, das wir unter Punkt (2)

als Bestimmungsstück des Schöpfungsganges aufzeigten und das

Nicht-Ich als der geschaffene Gegenstand, den wir unter Punkt (3)

aufzeigten. Ferner findet sich bei B a a d e r u n d b e i S c h e l l i n g

dieselbe Einsicht. Und im a r i s t o t e l i s c h - s c h o l a s t i s c h e n

B e g r i f f d e r F o r m als dem, was die bloße Möglichkeit der

Materie in die Wirklichkeit des konkreten Seins überführt und

in diesem Sinne actus purus ist, liegt derselbe Gedankengang / be-

schlossen, kommt aber nur in der Urschöpfung klar zum Erschei-

nen, weil dort der Begriff der Materie (besonders bei Thomas) noch

ausgeschaltet wird. Meister E c k e h a r t sagt: „Gott, als Sein,

handelt im Sein und zum Sein“, wozu Eckehart das Bibelwort an-

führt, Wsh. 7: „In sich verharrend erneuert er alles.“

1

Die Schöp-

fung erscheint hiermit als Setzung und fortwährende Neusetzung

2

.

1

Meister Eckehart, aus dem Prolog zum Opus tripartitum, deutsch von Wal-

ter Lehmann, Göttingen 1919, S. 269 (= Die Klassiker der Religion, Bde 14

und 15).

2

Eine weitere Stelle aus Eckehart siehe noch unten, S. 327.