Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4204 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4204 / 9133 Next Page
Page Background

332

[367/368]

tote, sondern lebendige Eigenschaften beilegen müssen. Ein Stein

zum Beispiel läßt sich von diesem Standpunkt aus ansehen als Glied

im System der Schwerkraft, sofern er zum Zentrum „Erde“ gra-

viert; er ist selbst Zentrum einem Stäubchen gegenüber, oder als

eigenes „Kräftesystem“ betrachtet. Ferner können auch die chemi-

schen Elemente nicht als „Letzte“ betrachtet werden. Schon allein

der heute wieder anerkannte / Umstand, daß sie sich ineinander

„verwandeln“ können, beweist es. Vergeblich wird man in der Na-

tur nach einem absolut Letzten suchen, stets wird sich ein Punkt der

Umkehrung zeigen, in welchem das vorher Unterste wieder zum

Höheren und Zentralen einem anderen gegenüber wird und nun

selbst ein Unteres unter sich hat. Ein atomistischer Gelehrter er-

örtert zum Beispiel in der Kristallisationslehre die Lehre, „daß im

Kristall dasselbe Atom periodisch zu verschiedenen Molekülen ge-

hört, weil die Atome sich innerhalb des Moleküls hin und her be-

wegen“

1

. Danach könnte also ein und dasselbe Atom Glied mehre-

rer Moleküle oder Zentrum mehrerer Moleküle sein. Wenn auch

hier die Begriffe „Glied“ und „Zentrum“ infolge der mechanisti-

schen Grundvorstellung nur im uneigentlichen Sinne gelten, so ist

es doch bezeichnend, daß selbst der Atomismus zu solchen ganzheit-

lichen Strukturbildern gelangen muß, um sich in den Erscheinun-

gen der Wirklichkeit zurechtzufinden. Das a b s o l u t E r l e i -

d e n d e u n d U n t e r s t e i s t n i r g e n d s i n d e r N a -

t u r z u b e o b a c h t e n

2

.

Die entscheidende aufbauende Bestimmung des Begriffes der Ma-

terie ist nach allem Vorhergehenden — wie wir hier nur kurz be-

merken, nicht ausführen wollen — zuerst die, daß das Materien-

hafte an der jeweilig passiven Stellung des Gliedes liegt. Materie

ist überall das jeweils verhältnismäßig Passive, Geführte, Bestimmte;

das aber nach dem Satz: „Nichts ist nur Mitte, nichts ist nur Um-

kreis“, niemals rein und absolut passiv sein kann, weil es in anderen

Beziehungen wieder zum Führenden und Aktiven wird. Da die Ge-

1

Vgl. Adolf Stöhr: Der Begriff des Lebens, Heidelberg 1909, S. 260 (= Syn-

thesis, Bd 2).

2

Ich habe in meinem Buch: Naturphilosophie, Jena 1937 (= Ergänzungs-

bände zur Sammlung Herdflamme, Bd 7) [2. Aufl., Graz 1963, Bd 15 der Ge-

samtausgabe], im Gegenteil eine T a t h a n d l u n g als das Letzte der Natur

nachgewiesen, die Tat der Verräumlichung eines Vorräumlichen, der immateriel-

len Wurzel der Natur.