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macht und Ausgliederungsfülle. F o r m a l gelten die Kategorien
für alle Ganzheiten in gleicher Weise; r e a l gelten sie verschie-
den. Die formal gleiche Gültigkeit erfährt lediglich für die unorga-
nische Natur und für gewisse Fälle, die sich in der Analyse von selbst
ergaben (Abgeschiedenheit und Persönlichkeit), Einschränkungen.
Aber die Verschiedenheit der realen Geltung der Kategorien be-
rührt ihre formale Geltung nicht. So wird zum Beispiel die Kate-
gorie „Eigenleben“ der organisch-physiologischen Ganzheiten (Glie-
der) anders zu kennzeichnen sein als jene der subjektiv geistigen
Ganzheiten, des menschlichen Subjektes, und wieder anders der
übersubjektiven Ganzheiten, der Gesellschaft. Das Organisch- / Le-
bendige geht in seinen Setzungen fast immer denselben Gang, das
subjektiv Geistige geht über sich hinaus. Es erhebt sich über sich
selbst, indem es sich selbst zum Gegenstand macht (Selbstbewußt-
sein = Subjekt-Objekt). Aber die Kategorie des Eigenlebens gilt in
beiden Fällen. Diese Verschiedenheiten festzustellen und einsichtig
zu erfassen, ist Aufgabe der Analysis der Einzelwissenschaften, zum
Beispiel der Gesellschaftslehre, Seelenlehre, Lebenslehre, nicht aber
der Kategorienlehre.
Zu den angeführten Ganzheitsarten kommen in jeder Gruppe
a b g e l e i t e t e G a n z h e i t e n , und zwar verschiedenen Gra-
des. Die entfernteren kann man passend auch G e s t a l t e n u n d
G e s t a l t s y s t e m e nennen. Außerdem sind zu unterscheiden
die Ganzheiten der Teilinhalte (zum Beispiel Wirtschaft) und die
Ganzheiten der Stufe (zum Beispiel Weltwirtschaft, Volkswirt-
schaft).
Die Ganzheitsarten stehen alle im V o r r a n g v e r h ä l t n i s
zueinander. Die Feststellung der Vorränge ist ebenfalls Sache der
einzelwissenschaftlichen Analysis, nicht eigentlich der Kategorien-
lehre
1
.
III. Über das Verhältnis von Sollen und Sein
Eine besondere Erörterung des Verhältnisses von Sollen und Sein
wäre nach allem bisherigen, was über den Seinsbegriff gesagt wurde,
und nach allem, was sonst im Gebäude der Urweisen darüber be-
1
Vgl. oben S. 153 und 156 f.