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schaft keine Rede sein könne, woraus ihr folgte, daß dies noch

weniger ontologisch der Fall sei.

Rein von der Verfahrenseite her betrachtet, erscheint der Gegen-

satz allerdings als ein schroffer. Wird zum Beispiel die Erde als /

ein physikalisches Sein, zum Beispiel als Planet, betrachtet, so ergibt

sich ihre Stellung zur Sonne durch das Newtonsche Gravitations-

gesetz, ebenso die Abplattung der Pole durch ihre Umdrehung um

die eigene Achse. Von einem Sollen ist hier keine Rede, nur von

einer Erkenntnis des Seins nach ursächlichen Bestimmungen. Noch

ein anderes Beispiel: Werden Gedächtnis und Gedankenabläufe des

Menschen experimentell geprüft, so können sich gewisse Regel-

mäßigkeiten ergeben, vielleicht ähnlich wie sie die „Assoziations-

gesetze“ darstellen, also abermals: Gesetze über das, was ist, nicht

was sein soll.

Es ist eine ganz andere Blickrichtung, so sagt diese Schule mit

Recht, welche der Geist einschlägt, eine andere Ebene, die er auf-

sucht, wenn er zum Beispiel die Erde als das im Schöpfungsplan Ge-

sollte, die Umdrehung und Abplattung als das Gesollte betrachtet,

oder wenn er jene kausalassoziativen Gedankenabläufe als logisch

richtig oder unrichtig untersucht, das heißt sie an dem Normen-

system der Logik als gesollte oder nicht gesollte erfindet; wie wenn

er die Erde als nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz, die

psychischen Elemente als nach den Assoziationsgesetzen bestimmt

betrachtet. Dieselben Erscheinungen o r d n e n sich im ersteren

Falle in ganz anderer Weise als im letzteren.

Z w i s c h e n S e i n u n d S o l l e n f ü h r t k e i n e

B r ü c k e , Sein und Sollen können nach diesem Gedankengang

nie Zusammenkommen: die Erfahrungselemente als das Wirkliche

und die Erfahrungselemente als Gesollte, als Wert, werden auf ganz

anderer Ebene, nach ganz anderen Richtmaßen von unserem Geist

geordnet. Das Denken als wirklich und das Denken als richtig oder

unrichtig, als seiend und als gewertet — das sind zwei verschiedene

Welten!

Diese aus der zunächst v e r f a h r e n m ä ß i g e n Betrachtung

entspringende Trennung von Sein und Sollen bedingt nun, wie diese

letztere Überlegung zeigt, sofort ontologische Folge- / rungen, welche

die neukantische Schule zu ziehen nicht gezögert hat. Sein im kausa-

len Sinne und Sollen im Sinne irgendeines Normengebäudes (sei es

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