V i e r t e r A b s c h n i t t
Die Auflösung der Eleatiseh-Heraklitischen Schwierig-
keiten des Seinsbegriffes
I.
Nochmals: Der Eleatisch-Heralditische Standpunkt
Unser Ergebnis war, daß die Denkaufgaben, die im Begriff des
Seins liegen, im eleatisch-heraklitischen Gegensatz gipfeln
1
. Wir
zeigten, daß wir von der Zergliederung der Wirklichkeitsauffas-
sung, wie sie in den Wissenschaften vorliegt, ausgehen müssen, um
die Kategorien des Seins zu bestimmen. Dies führte uns schon in
der „Kategorienlehre“ dahin, in allem Sein Ausgliederung (auf dem
Grunde der Rückverbundenheit) zu erkennen. Ausgliederung aber
ergab sich als schöpferische Setzung. Darum suchten wir das Kenn-
zeichnende im Wesen des Schaffens aufzuzeigen
2
.
So ausgerüstet, können wir zur letzten Überschau und zu den
letzten Schlußfolgerungen fortschreiten.
Die e l e a t i s c h e A n s i c h t , wonach das Sein das schlecht-
hin Sich-selbst-Gleiche, Einfache ist, wurde später in einer mehr
grammatikalisch-logischen Form beibehalten. Man belegte jenen
Seinsbegriff aus der grammatikalischen Form des Denkens, indem
man erklärte: Das Sein ist kein Gattungsbegriff, keine Kategorie,
vielmehr sind die Kategorien oder obersten Gattungen nichts ande-
res als die Weisen, in denen das Sein sich zeigt. Diese allgemeinsten
Weisen oder allgemeinsten Aussagen (Prädikate) sind verschieden,
das Sein aber ist in allen dasselbe.
In dem Urteile S ist P und P’ und P”, zum Beispiel der Mensch ist gerecht,
sehend und blondhaarig, ist das „Sein“ immer dasselbe bei aller Ver- / schieden-
heit der Aussagen P, P\ P”. Das Sein ist daher in der K o p u l a , im „ist“, des
Satzes enthalten, nicht in Prädikat und Subjekt. Gerade das, die Kopula in allen
Prädikationen zu sein, zeigt, daß das Sein das schlechthin Sich-selbst-Gleiche,
Wandellose wäre. Aber auch das Bestimmungslose — denn wo wäre in der
1
Siehe oben S. 23 ff.
2
Siehe oben S. 52 ff.