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wird, ist der Schaffende actu und in diesem Sinne lautere Wirklich-

keit. Dabei bewährt sich auch die oben

1

dargelegte G e g e n s e i -

t i g k e i t des Geschaffenwerdens und Schaffens, denn der „Be-

schluß“ der Eltern ist nur actu durch das Lernen der Kinder.

Hier zeigt sich bereits klar, um was es bei der Betrachtung der

eleatischen und heraklitischen Seinsbestimmungen geht. Nicht

darum, das eine oder das andere, die Ruhe oder die Bewegung zu

verneinen, sondern das eine und das andere als Bestandteile einer

höheren Einheit zu begreifen

2

.

R ü c k b l i c k a u f d i e n i c h t - m a t e r i a l i s t i s c h e N a t u r

u n s e r e s S e i n s b e g r i f f e s

Die Wichtigkeit der Sache und die Ungewöhnlichkeit / der hier geforderten

Denkweise gebieten es, zum Schlusse nochmals auf das durchaus U n m a t e r i a -

l i s t i s c h e u n d U n m e c h a n i s t i s c h e in unserem Begriffe des Seins

zurückzukommen. Indem wir das Aufnehmen der Eingebung oder des Geschaf-

fenwerdens und das eigene Schaffen als die beiden inneren Bewegungen des

Seins erkannten, haben wir jede tote, jede materialistische, jede mechanistische

Vorstellung vom Sein ausgeschaltet. Die ungreifliche, die durchaus schöpferische

Natur des Seins entspringt aus dem Nichts (der höheren Ganzheit) und vergeht

in das Nichts (durch Rücknahme in die höhere Ganzheit) — woran weder die

Waage des Chemikers noch die Energierechnung des Physikers auch nur ein

Stäubchen zu ändern vermag. Darum haben wir oben das Einbildende, Be-

deutungsvolle, Empfindliche hervorgehoben, das bei allem „Setzen“, „Ausglie-

dern“ ebenso wie beim Erleiden der höheren schaffenden Einwirkung notwendig

gegeben ist. Da Sein Schaffen ist, ist nichts an ihm mechanisch. Wenn wir in

der Welt Vorgänge je mechanisch errechnen und beurteilen können, so liegt das

nicht an der mechanischen Natur des Seins, sondern an der Beständigkeit der

Wiedererzeugung der Welt durch alle schaffenden Stufen hindurch, zuletzt durch

Gott, und an der Beständigkeit der Aktion der Wesen aus ihrer eigenen Vita

propria heraus.

Wer das Wesen des Schaffens ganz begriffe, der begriffe Gott und die Welt,

der verstünde die Natur und den Geist. Und wer dem entgegen das Sein ohne

Schaffen begreifen will und die einbildende Natur des Schaffens und die emp-

findliche des Geschaffenen nicht festhält, wird die Würde der Welt und das

Wunder des Daseins nie ermessen.

/

1

Siehe oben S. 55 f.

2

Vgl. darüber Weiteres unten S. 76 ff. und in der Lehre von der Zeit, Fünf-

tes Buch: Naturphilosophie, S. 333 ff.