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Erfahrung, bestimmte Erkenntnisse und Gefühle können das Ur-

sprüngliche nur ausbilden, ausformen, auch rückbilden, aber es nicht

schaffen. Glaube wäre nicht möglich ohne reales Enthaltensein, ohne

Rückverbundensein im höchsten Ganzen; Liebe, Hingebung wäre

nicht möglich ohne reales Enthaltensein in der Gemeinschaft als

der höheren geistigen Ganzheit. Glaube nicht möglich ohne Befaßt-

heit und Durchdrungenheit von der göttlichen Schöpferkraft; Hin-

gebung nicht ohne Befaßtheit und Durchdrungenheit von der

Schöpferkraft der Gezweiung.

Ein Irrtum der Neuesten ist es daher auch, jenes hingebende oder Gemein-

schaftsbewußtsein unter dem Namen „ S o z i a l p s y c h o l o g i e “ u n d „ M a s -

s e n p s y c h o l o g i e “ gesondert behandeln zu wollen, indem man es von den

anderen geistigen Erscheinungen abtrennt. Man kann eine eigene „Sozialpsycho-

logie“ ebensowenig von der allgemeinen Psychologie abtrennen wie etwa eine

„Denkpsychologie“ oder eine „Kunstpsychologie“ als grundsätzlich selbständige

Wissenschaft. Denn Denken und künstlerisches Bilden sind keine von dem übri-

gen Bewußtsein abtrennbaren Gebiete. Die Gemeinschaftlichkeit oder Gezweitheit

und die in ihr beschlossene Hingabe ist vielmehr ein allgemeines F o r m e l e -

m e n t des Bewußtseins, nicht ein Inhalt, der hinzukommen oder auch weg-

bleiben könnte.

C. Die G e z w e i u n g h ö h e r e r O r d n u n g

Mit dieser ist die Sinnlichkeit im Bewußtsein begründet, wie dies

oben

1

bemerklich gemacht wurde und später noch näher dargelegt

werden soll

2

. Die Sinnlichkeit erscheint / aber nicht als das Erste

und der Grundstoff des Geistes, sondern als die letzte und kon-

kreteste Ausgliederungsform, die er erreichen kann.

Wenn wir gegenüber dem deutschen Idealismus hervorhoben, daß

durch die ganzheitliche Auffassung des Geistes der in ihm wider

Willen noch liegende Rationalismus überwunden sei, so ist es um

so nötiger gegenüber dem Empirismus hervorzuheben, daß mit der

Ganzheitslehre die empiristische Grundvorstellung überwunden ist,

nach der das höhere Geistesleben nur aus Sublimierung der Sinnes-

eindrücke entstehen soll (nach dem Satze „nihil est in intellectu,

quod non fuerit in sensu“

3

). Es sind in Wahrheit nicht Sinnesein-

1

Siehe oben S. 179 f.

2

Siehe unten S. 261 ff.

3

Siehe oben S. 189.