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seinerseits bereit finden, das Geschaute s c h a f f e n d z u s e t z e n ,
es zum Gegenstand eigenen Schaffens und Weitergebens zu machen.
Die Annahme (acceptatio) geschieht nur in Gezweiung. —
Das innere Schauen wird sich als die Quelle alles höheren geistigen
Lebens, die Quelle von Kunst, Wissenschaft, Religion erweisen.
A.
Der V o l l z u g d e r A n n a h m e o d e r d a s
S c h a f f e n a u s G e s c h a f f e n w e r d e n
Das Geschaute, so sagten wir, wird Gegenstand des Bewußtseins.
Indem das Bewußtsein das Geschaute annimmt, entfaltet sich die
Schauung in ihm. Das Bewußtsein geht fast zugleich mit dem Ge-
schaffenwerden in Schaffen über, indem es das Geschaute seinerseits
wieder setzt, wodurch die „Annahme“ erst durchgeführt, erst voll-
zogen wird. In diesem Vollzuge liegt aber, wie später zu zeigen sein
wird, mehreres beschlossen, und zwar: (a) die Selbstsetzung des Ich.
Sie geschieht aber nicht rein formell, abstrakt, sondern in bestimm-
ten Weisen, und zwar in den folgenden, die in ihr liegen; (b) die
Selbstunterscheidung des Setzenden von einem andern Ich in der
Gezweiung, (c) die Selbstunterscheidung vom Gegenstande, (d) die
Auffassung des Gegenstandes als Gestalt. — Damit sind alle höheren
Bewußtseinsformen des Geistes (die nicht von den Elementen der
Sinnlichkeit und ihrer Verbindung hergeleitet, sondern ursprüng-
lich sind) gegeben, wir nennen sie: (1) das Gezweiungsbewußtsein
oder hingehende Bewußtsein; (2) das / Gegenstandsbewußtsein oder
das Wissen im engeren Sinn; (3) das künstlerische Bewußtsein; das
Setzen schlechthin kommt erst in späteren Formen als Wollen und
Handeln oder als das praktische Bewußtsein zur Entwicklung.
B.
Die i n n e r e S i n n l i c h k e i t
( T r i e b u n d L e i d e n s c h a f t )
In der Gezweiung höherer Ordnung, die der Geist mit dem orga-
nischen Stoffe eingeht und dabei er den menschlichen Leib bildet,
muß der Geist — also im v o r b e w u ß t e n Zeitabschnitte —
jene Ausgliederungsakte setzen, die hinterdrein als Triebe, Leiden-