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gliedert ist, nichts, was nicht als Mit-Ausgegliedertes sein Eigenes
setzt und zur Entstehung bringt
1
.
B. W i l l f ä h r i g k e i t o d e r D e m u t v o r d e m
G e g e n s t ä n d e
Wird das Gesicht angenommen, dann ist die Schauung selbst nur
möglich durch vollkommene Empfänglichkeit, Willfährigkeit, Ge-
lassenheit. Diese Willfährigkeit, die man zum Unterschiede von der
Hingabe an den andern in der Gezweiung die Hingabe an den
Gegenstand oder Demut vor dem Gegenstande nennen kann, müs-
sen wir als eigenen / inneren Abschnitt der Annahme unterschei-
den, da sie sich durchaus nicht von selbst versteht. „Gelassenheit“,
Leersein von den Dingen, damit die Erleuchtung aufgenommen
werden könne, haben die Mystiker in tausend Zungen gepredigt.
Hierin liegt nichts Geringeres als die ganze höhere Lebenskunst
beschlossen
. Doch darüber später
2
.
So übermächtig ein Gesicht den Schauenden überwältigen kann,
so unentbehrlich ist doch immer seine Mitwirkung dabei. Diese
aber besteht nach vollzogenem Entschlusse der Annahme in nichts
anderem als im reinen Erleiden, im reinen Stillehalten. Der Schau-
ende muß sich für sein Gesicht empfänglich machen, er muß sich im
buchstäblichen Sinne mütterlich machen, denn er muß ein anderes
in sich ungehindert wirken, sich entfalten, sich ausgebären lassen.
Auch im ausführenden Schaffen setzt sich dieses Erleiden in anderer Weise
noch fort. Es ist zwar nicht mehr bloßes Stillehalten, aber doch noch Selbst-
verleugnung, Hingabe an das Werk. Der Schaffende und Tätige darf nichts von
seinen eigenen persönlichen Wünschen und Umständen hineinmengen. Er muß
das Geschaute unmittelbar und unvermischt von der Quelle schöpfen und es
von jeder Beimengung rein halten. Das gilt für den Staatsmann wie für den
Künstler, wie für alle Schaffenden.
III. Nochmals die Gezweiung. Das Gewußtwerden in ihr
Wir kehren nun zur Gezweiung zurück, in deren Kraft wir die
Annahme sich vollziehen sahen. Die Gezweiung leistet Geburts-
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Weiteres über die Gezweiung sogleich unten S. 225 ff.
2
Siehe unten S. 229 ff.
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