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hilfe bei der ersten entscheidenden Grund- und Haupttat des Gei-
stes, bei der Annahme seiner Eingebungen.
Nun kann, wie in früheren Schriften des Verfassers gezeigt
wurde
1
, aber übrigens von selbst einleuchtet, der Mensch in zwei-
facher Weise als Glied der Gezweiung auftreten, entweder führend
oder geführt, tätig oder erleidend. Das ist in / unserem Zusammen-
hange wichtig. Tritt der die Eingebung in Kraft der Gezweiung
Annehmende führend auf, indem er nämlich durch spätere Ausbil-
dung und Verkündigung der gefundenen Idee eine Gezweiung be-
gründend oder tätig umbildend aufzutreten gedenkt: d a n n g e -
s c h i e h t d i e g r u n d l e g e n d e g e i s t i g e T a t d e r
A n n a h m e i m H i n b l i c k auf ein künftiges K u n d g e -
b e n i n d e r G e z w e i u n g ; umgekehrt: Tritt der die Ein-
gebung in Kraft der Gezweiung Annehmende als Geführter auf, in-
dem er nämlich durch spätere Ausbildung und Darstellung der zu
empfangenden Eingebung in eine Gezweiung als geführtes Glied
einzutreten gedenkt: d a n n g e s c h i e h t d i e g r u n d l e -
g e n d e G e i s t e s t a t d e r A n n a h m e i m H i n b l i c k
a u f e i n k ü n f t i g e s K u n d n e h m e n i n G e z w e i u n g .
In der Gezweiung liegt also stets ein gegenseitiges Gewußtwerden
vom Gezweiten (aktiv und passiv), das zugleich eine Gliedhaftig-
keit im objektiven Geiste ausdrückt, und damit weiter: eine objek-
tive Hingegebenheit, ein objektives Enthaltensein.
Die Annahme des Geschauten und das darin sich vollziehende
Schauen ist die erste Bewußtseinstat. Da aber diese Tat unter der
Bedingung der Gezweiung steht, so folgt daraus weiter, daß das in
jener Tat beschlossen liegende erste Wissen des Gegenstandes unter
der Bedingung des Gewußtwerdens von einem Gezweiten steht.
Das Gewußtwerden als Bedingung des Wissens bei Meister Eckehart. „Die
Seele begreift Gott nur insofern sie von ihm begriffen wird“
2
; davon leuchtet
die Luft, „daß sie erleuchtet wird“
3
.
1
Siehe meine Bücher: Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930, S. 139 ff.;
Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 274 ff.
2
Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 504,
Zeile 20.
3
Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 38,
Zeile 15. — Vgl. auch Franz von Baader: Sämtliche Werke, herausgegeben von
Franz Hoffmann, München 1854—60, Bd 1, S. 96; Bd 12, S. 84: cognosco inquan-
tum cognoscor.