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und bescheiden von sich dachte, war noch nicht da, wie auch überall

der große Heilige sich unaufhörlich seiner Sünden anklagt. Die

reinste Demut gehört zu jedem hervorbringenden Menschen und es

ist bemerkt worden, daß sogar die großen Willensmenschen stets

„fatalistisch“ dachten, das heißt aber, daß sie nicht sich weder die

Kraft und Macht noch die Ehre zurechneten! Jenes Goethewort gilt

nur zur Verteidigung der eigenen, aus höherer Führung erwachse-

nen Schöpfun- / gen gegen Angriffe, die von der Niedrigkeit her-

kommen; denn das Höhere soll verehrt werden hienieden.

Auch auf dem Gebiete des tätigen Lebens, wo man sie vielleicht

weniger vermuten sollte, gelten dieselben Grundtatsachen der Ver-

tiefung, der Sammlung. Der Staatsmann, der Heerführer, der Wirt-

schaftsführer bis herab zum Vollzieher einfacher Handgriffe, sie

alle müssen von ihrer Aufgabe erfüllt sein, um sie recht zu voll-

bringen. Auch sie sind in ihrer Weise leer vom anderen, das ablenkt

oder widerspricht, und voll vom Ihrigen. Diese gesammelte Fülle

allein auch drängt zur Tat, gibt Willensstärke. „Nimmer sich beu-

gen, kräftig sich zeigen, rufet die Arme der Götter herbei.“ —

„Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ —

Diese und andere Goetheworte sind keine bloße „Poesie“. Sie deu-

ten darauf hin, daß auch der Wille seine Selbstvertiefung hat. Sie

liegt im Unbeugsamen. „Hilf dir selbst, dann wird auch Gott dir

helfen.“ Alle diese Worte sind wahre Lebensworte und sprechen die

Erkenntnis, daß der tiefste Geistesgrund des Menschen ein Vorge-

schaffenes ist, auf ihre Weise aus.

Würde man nun nach allem noch die Frage stellen: was geschieht,

wenn ein Mensch sich nicht vertiefen k a n n , dann allerdings wäre

zu antworten, daß hier die edle Lebenskunst vorerst ihre Grenze

finde. Hier muß erst der Weg zur Sehnsucht nach Sammlung und zur

langsamen Erwerbung der F ä h i g k e i t der Sammlung beschrit-

ten werden.

Wie sehr vermittelt, wie sehr eingeengt immer der Mensch seinen

Weg vor sich finde, zuletzt gilt, was Moritz Carriere einem Buche

als Leitwort voransetzte: „Jeder wird als der größte Held geboren,

denn Gott ist die Liebe.“

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