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Übergang steht die „Gezweiung“ da, kraft deren die „Annahme“

erfolgt. Systematisch gesehen gehört sie in die Annahme hinein,

steht sie vor dem Vollzüge, wie denn auch aus dem Bisherigen folgt

1

.

Da sie aber den gesamten „Vollzug“, das gesamte Bewußtsein be-

stimmt, da sie überdies in die Erscheinungen und Fragen des

„Vollzuges“ tief eingreift, rechtfertigt es sich, daß wir sie hier, am

Eingange der Erscheinungen des Vollzuges ausführlich behandeln.

In der Gezweiung, die am Anfange des Bewußtseins steht, ist die

uns schon bekannte, entscheidende Tatsache enthalten: ein S i c h -

U n t e r s c h e i d e n d e s I c h v o n e i n e m a n d e r n I c h .

Erst wenn sich das Ich von dem Gezweiten unterschieden hat,

kommt es zu der vorher wie eine Möglichkeit, gleichsam als ein

Husch, gesetzt gewesenen Unterscheidung von dem, was angenom-

men werden soll, zur Unterscheidung vom G e g e n s t a n d e /

(Objekt, das Geschaute). Die erste aktuierte Selbstunterscheidung

des Ich also geschieht gegenüber einem anderen Ich oder dem Ge-

zweiten; erst darauf erfolgt mit dem Vollzuge des Annehmens die

Schau des Eingegebenen, die volle Unterscheidung vom Gegenstande.

Wenn der Maler durch den Gedanken an seine Liebste die Kraft

gewinnt, den „Entschluß“ faßt, ein Gesicht der Jungfrau anzuneh-

men, so geht der vollen, klaren Selbstunterscheidung von diesem

Gesichte der Gedanke an seine Liebste vorher. Die Selbstunterschei-

dung von dieser in der Gezweiung ist also die erste Geistestat des

Annehmenden. Selbst das Kind hat die erste Beziehung zum Men-

schen, zur Mutter, nicht zum Gegenstande. Doch sollen hier nicht

weitere Beispiele gehäuft werden.

In der S e 1 b s t u n t e r s c h e i d u n g des Ich von

s e i n e m G e z w e i t e n w i r d e i n I c h : I c h - V e r h ä l t -

n i s o d e r e i n S u b j e k t : S u b j e k t - V e r h ä l t n i s b e -

g r ü n d e t .

Dies wurde in Fichtes Lehre von der Selbstsetzung des Ich nicht beachtet.

Dort wurde die Setzung des Ich als „Nicht-Ich“ schlechthin bestimmt und darum

ein Ich : Gegenstand-Verhältnis, Subjekt: Objekt-Verhältnis, fälschlich an den An-

fang gestellt.

Zwar kann man sagen, es liege auch in der Selbstunterscheidung des Ich von

einem anderen insofern ein Ich : Nichtich-Verhältnis beschlossen, als das Du

nicht Ich ist; aber dadurch wird es dennoch kein Ich : Gegenstand-Verhältnis.

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Siehe oben S. 223 f.