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Geist nicht von seinem Verhältnisse zum Gegenstande nicht von sich

selber als Einzelner, er hat sie als Abglanz vom Andern, er hat sie

aus seiner Durchdrungenheit vom anderen Geiste, der ihn wie ein

Licht durchleuchtet und ihm auch innere Wärme gibt, jene Innig-

keit, die unser gesamtes Wissen, Wollen und Tun nur erhält, wenn

es dem anderen Geiste aufgeschlossen ist. Nichts, was rein eigen-

süchtig ist, hat Innigkeit. Je eigensüchtiger, um so finsterer, kälter,

je durchdrungener vom andern Geiste, vom Ganzen, um so inniger,

wärmer. Gemüt erhält der Mensch nicht als besonderes Gebiet seines

Geistes, wie zum Beispiel musikalischen Sinn, sondern als erste

Grundlage. Darum ist Gemüt vor Wissen. Der Geist ist zuerst nicht

Geist für sich, sondern be-geistert — vom andern Geiste. Und zu-

letzt von Gott.

Indem das Ich : Du-Verhältnis jene Beschaffenheit begründet, die

wir Liebeskraft nannten, wird die spätere inhaltliche Entwicklung

zum hingehend-verstehenden Bewußtsein oder Gezweiungsbewußt-

sein und zum sittlichen Bewußtsein ermöglicht. Das Gezweiungs-

bewußtsein und das sittliche Bewußtsein ist nicht, so wiederholen

wir, auf die besonderen Erfahrungsinhalte des Gemeinschaftslebens

gegründet (wie zum Beispiel Mitleid, Mitfreude, Liebe, Haß, Vater-

landsliebe usw.); sondern diese besonderen Inhalte des Gemein-

schaftsbewußtseins sind nur möglich, weil Hingebung, weil Liebes-

kraft und Innigkeit eine Urbeschaffenheit des Geistes ist, die a l l e n

seinen Erscheinungen, auch im einsamen Denken und Gestalten,

anhaftet und sogar vorangeht.

Wie das Enthaltensein des Menschen in Gott den Glauben hervor-

bringt, so das Enthaltensein im objektiven Geiste m i t t e l s d e r

G e z w e i u n g die Liebeskraft, die sich inhaltlich zum Gezwei-

ungsbewußtsein und schließlich zum sittlichen Bewußtsein entfaltet.

Und wie der Glaube sich erst an den anderen geistigen / Erschei-

nungen, besonders im Wissen entfaltet, so entfalten sich das Gezwei-

ungsbewußtsein und das sittliche Bewußtsein erst an allen anderen

geistigen Erscheinungen.

Z u s a t z

Da das sittliche Bewußtsein erst durch die Liebeskraft und die Inhalte des

Gezweiungsbewußtseins hindurch zur Entfaltung kommt, wird es deutlich, daß

ein r e i n f o r m a l e s s i t t l i c h e s B e w u ß t s e i n ( K a n t ) u n m ö g -

l i c h i s t .