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Prädikat zu einem Subjekte nachträglich h i n z u käme, gleichwie ein Vogel auf
den Baum, wie die empiristische Logik es auffaßt, trifft nicht zu. Der unterschie-
dene Gegenstand wird vielmehr als Gliederung von Unter-Gegenständen, das
heißt „Eigenschaften“, „Prädikaten“ weiter unterschieden. Das a n a l y t i s c h e
U r t e i l i s t n i c h t s a n d e r e s a l s d i e F o r t s e t z u n g d e s S i c h -
U n t e r s c h e i d e n s v o m G e g e n s t a n d e , und zwar ein Unterscheiden
von Untergliederungen, Untergegenständen. Das sich Unterscheiden des Ichs
vom Gegenstande setzt sich fort zum Unterscheiden a m Gegenstande, und
eben dieses ist das analytische Urteil. — Der Analyse geht auch keine Synthese
voraus, wie K a n t meinte; aber allerdings muß ihr irgend etwas vorausgehen,
da sie ja keinesfalls das erste sein kann. Nur ist das, was ihr vorausgeht, nicht
eine Synthesis (die doch nur schließlich als nachträgliches Zusammenfassen der
Teile gefaßt werden könnte — was gerade wieder unmöglich ist), sondern — die
Eingebung, die Intuition, das heißt die Erfassung des Ganzen durch Schauen,
durch eine Handlung des Bewußtseins, die vor den zergliedernden Handlungen
ist. Kant spricht allerdings von einer „ u r s p r ü n g l i c h e n Synthesis“ und
wollte damit offenbar die Schwierigkeit, die in der n a c h t r ä g l i c h e n Zu-
sammensetzung liegt, vermeiden.
/
Durch die Verbindung des analytischen Urteiles mit dem Syllo-
gismus ist auch g e g e b e n : daß das Wissen wesentlich auf das
A l l g e m e i n e geht, wie es ganz richtig die herkömmliche Logik
verlangt. Freilich begeht die herkömmliche Logik auch den Fehler,
das Allgemeine allein (oder fast allein) herrschen zu lassen. Vielmehr
muß die Allgemeinheit mit der Besonderheit in jedem Begriffe we-
senhaft verbunden bleiben. Der eingegebene Gegenstand ist not-
wendig immer ein bestimmter. Da das Allgemeine (Gattung) nur
als besondere, konkrete Stufe, die jeweils noch höhere Stufen über
sich hat, möglich ist, so ist diese Schwierigkeit unschwer zu lösen
1
.
Als Ergebnis dieser Besinnung dürfen wir aussprechen, daß in der
Selbstunterscheidung des Ich von seinem Gegenstande wesensgemäß
Wissen und Denken im Keime enthalten sind und daraus die For-
men der Logik entfaltet werden können.
Die Setzungen des Wissens erfolgen nun, wie alle andern Set-
zungen, auf Grund des H i n b l i c k e n s auf den Gegenstand, auf
das Geschaute. Was im Schauen ein Ganzes ist und mit einem Blicke
erfaßt wurde, wird nunmehr schrittweise gesetzt, wird auseinander-
gelegt. Daher heißt dieses den Gegenstand weitergebende Wissen
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Vgl. unten S. 291 ff. und meine Arbeit: Uber die Einheit von Theorie und
Geschichte, in der Gedächtnisschrift für Georg von Below (Aus Politik und Ge-
schichte), Berlin 1928, S. 322 ff.; jetzt, zum Teil erweitert, in: Kämpfende Wissen-
schaft, Jena 1934, S. 143—178 [Zur Grundlegung einer ganzheitlichen Logik,
Uber die Einheit von Theorie und Geschichte].