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handelt ihn nicht als Gegenstand, sondern als Gestalt“, heißt nach

allem Bisherigen: daß sie nicht nur seine gestalthaften Elemente al-

lein erfaßt und im künstlerischen Schaffen weitergibt (zum Beispiel

Ebenmaß der Räume, Zeiten, Laute usw., nicht aber seine begriff-

lichen Merkmale nach Einerleiheit und Widerspruch im Syllogis-

mus); sondern es heißt auch: daß sie seine Gestalt auf den A u s -

d r u c k seines letzten Innern, seines letzten Wesensgehaltes bringt.

Damit erreicht die Kunst zweierlei: erstens, sie h e b t d i e /

T r e n n u n g v o n I c h u n d G e g e n s t a n d , d i e i m

W i s s e n l i e g t , w i e d e r a u f ; denn Wissen ist Unterschei-

dung des Ich vom Gegenstande, aber in der Kunst wird der Gegen-

stand nicht dem Ich entgegengesetzt, sondern wird als Gestalt oder

Ausdruck seines Wesens, damit seiner reinsten innersten Wesenheit,

der Idee, gefaßt; und zweitens: sie gliedert damit den Gegenstand

in den kosmischen Zusammenhang ein

1

. Denn die Idee, deren Sinn-

gehalt zum gestalthaften Ausdruck gebracht wird, ist ein Übersinn-

liches. Wird der Gegenstand als Ausdruck oder sinnliche Gestalt der

Idee aufgefaßt, so ist er Glied der übersinnlichen Welt. Aus d i e -

s e m G r u n d e u n d n u r a u s d i e s e m G r u n d e e r -

s c h e i n t e r a l s s c h ö n . „Gestalt“ für sich ist noch nicht

„schön“, „Gestalt“ ist nur Einheit von Äußerem und Innerem. Erst

indem die Gestalt Ausdruck der übersinnlichen I d e e wird, er-

langt sie selbst den Schimmer des Übersinnlichen, die Schönheit. —

Wir werden diesen Gegenstand nochmals in der Ideenlehre aufzu-

nehmen und weiterzuverfolgen haben

2

.

Aus diesem Grunde wurzelt echte Kunst notwendig im Metaphy-

sischen, sie weckt ein Urlebendiges in uns. Das allein macht ihre

Schönheit aus. Schönheit ist die Botschaft aus der höheren Welt.

Aber diese Botschaft ist nicht jene der religiösen Lehre noch jene

der Wissenschaft, sondern jene, die das Übersinnliche in der Sinn-

lichkeit ausspricht als Gestalt. Nichts kann schön sein, was nicht hei-

lig ist. Darum stimmt echte Schönheit zur Andacht. Daher stammt

die innere Religiosität, die alle Kunst hat. Sie heiligt das grausam-

1

Vgl. meinen Aufsatz: Vorrang und Gestaltwandel in der Ausgliederungs-

ordnung der Gesellschaft, in: Logos, Internationale Zeitschrift für Philosophie

der Kultur, Bd 13, Tübingen 1924, S. 19t ff. — Vgl. auch oben S. 181 und unten

S. 269.

2

Vgl. unten Sechstes Buch: Ideenlehre, S. 447.