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das ist, da es einen „Willen“ als Teilinhalt der Stufen nicht gibt, er
vielmehr (als Wollen und Handeln) die letzte Stufe, das Ergebnis
des ganzen Selbstes ist. Sieht man genauer zu, so können denn auch
alle die betreffenden Systeme und Lehrbücher nicht umhin, ihre
Einteilung auch auf verschiedene Grade oder Stufen zu beziehen,
wobei aber den Dingen Gewalt angetan wird und in Wahrheit nur
immer das erleidende oder schaffende Verhalten des Geistes als
Grundinhalt auf allen Stufen übrigbleibt.
Dieser Einteilung nahe stand auch die H e g e l i s c h e S c h u l e ,
obgleich durch die „Phänomenologie“ Hegels eine undurchsichtige
Verwicklung entstand.
Ferner als der aristotelischen und hegelischen Einteilung steht die
unsrige der seit Johann Nicolaus Tetens und Kant in der Seelenlehre
herrschenden in E r k e n n t n i s , G e f ü h l u n d W i l l e .
Das Gefühl bildet keinen eigenen Grundinhalt, kein eigenes Teilganzes des
Geistes, wie wir schon oben
1
darlegten. Es ist eine inhaltliche Sondererschei-
nung, keine Grundklasse. Hauptsächlich sind es die inhaltlichen Begleiterschei-
nungen der i n n e r e n S i n n l i c h k e i t (Leidenschaften), die hier gemeint
sind. Ferner solche des Setzens, Schaffens auf allen Stufen, denn das Aufnehmen
geht mehr unbewußt vor sich, das Setzen vor allem hat die Schaffensfreude,
Lebensstärke an sich und das Wollen und Handeln den Genuß in der Ziel-
erreichung, den Mangel („Unlustgefühl“) in der Vermissung und im Nicht-
erreichen des Zieles. — Denkwürdig ist auch, daß ein so tiefdringender Psychologe
wie H e g e l das Gefühl nicht als eigene Grunderscheinung anerkannte, sondern
vornehmlich als unklares Denken, als Dämmerhaftes bestimmte
2
.
Über den wahren Einteilungsgrund der seelischen Erscheinungen, den die
A s s o z i a t i o n s l e h r e verwendet, sprachen wir uns früher aus
3
; ebenso
über die Einteilung F r a n z B r e n t a n o s , welcher Vorstellen, Urteilen und
Vorziehen unterscheidet.
/
1
Siehe oben S. 250 f.
2
Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen
Wissenschaften im Grundrisse, in 2. Auflage neu herausgegeben von Georg Las-
son, Leipzig 1905, § 447 (= Philosophische Bibliothek, Bd 33); dazu Johann
Eduard Erdmann: Grundriß der Psychologie, 4. Aufl., Leipzig 1862, §§ 95 f. —
Auch die „Psychologie“ des jüngeren Fichte folgt der Einteilung in Vorstellung
und Wille.
3
Siehe oben S. 233 f.