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Die bisherigen Sätze galten den Vorrangverhältnissen zwischen

den Stufen. Jene zwischen den T e i l g a n z e n sind sehr einfach

und uns aus dem Früheren wohlbekannt. Es gilt:

11.

Auf nehmen ist vor Setzen, Empfänglichkeit ist vor Schaffens-

kraft; denn Geschaffenwerden ist vor Schaffen. Und in anderer

Form: Rückverbundenheit ist vor Ausgliederung.

II. Der geistige Lebensgang besteht nicht aus nachträglicher

Synthesis

Aus dem „dialektischen Verfahren“, wie es in der Philosophie von

Kant und Fichte bis Hegel auftritt, ergibt sich der Begriff einer

nachträglichen Synthesis, indem der Geist seine Schritte als Setzung,

Gegensetzung und Ineinssetzung, das heißt Synthesis, oder als Be-

jahung, Verneinung, Verneinung der Verneinung, oder als +, —,

+ , macht. Dieser Gedanke, dieses Verfahren ist keineswegs, wie

man ihm oft vorwarf, vollständig / seicht und leer. Vielmehr ist

der Gedanke, den es enthält, tief und umfassend. Es ist der Gedanke

der D r e i g l i e d r i g k e i t mit ihren inneren Gegensätzen, die

tatsächlich von gewisser Seite her als Setzung, Gegensetzung und

Vereinigung erscheinen. Es war denn auch die Anwendung des dia-

lektischen Verfahrens, die in vielen Fächern versucht wurde, wenn

man tiefer hinblickt, keineswegs überall so unergiebig, wie behaup-

tet wird. Wenn der Gedanke vollkommen verfehlt wäre und nir-

gends Ankergrund fände, wie könnte dann die Anwendung so lange

und nicht ohne jeden Erfolg versucht worden sein? Ferner ver-

dient gewürdigt zu werden, daß im dialektischen Verfahren mit

der Selbstsetzung (Spontaneität) des Geistes als einem durchaus

Unmechanischen und Unmateriellen Ernst gemacht wird.

So wenig diese Vorzüge verkannt werden sollen, so unmöglich ist

es dennoch, die „Synthesis“ in der dialektischen Reihe als eine

n a c h t r ä g l i c h

erfolgende

anzuerkennen.

Der

g r u n d -

s ä t z l i c h e F e h l e r d e r „ d i a l e k t i s c h e n M e t h o d e “

l i e g t d a r i n , m i t d e r S e t z u n g z u b e g i n n e n . Man

muß im Gegenteile mit der Ganzheit als solcher, mit der noch un-

ausgegliederten Ganzheit beginnen — also weder mit der Setzung

noch mit der v e r w i r k l i c h t e n Synthesis, vielmehr mit der