Z e h n t e r A b s c h n i t t
Rückblickende Betrachtungen
I. Die Vorrangverhältnisse des Geistes
Zur Ermittlung der Vorrangverhältnisse zwischen den inneren
Stufen des Geistes bedarf es keiner ausholenden Begründung mehr,
sie sind in den letzten Ergebnissen schon enthalten
1
.
1.
Glaube hat den Vorrang vor allen anderen Stufen des Geistes.
Eine weitere Abhandlung des Vorranges des Glaubens und ins-
besondere auch seines Verhältnisses zum Wissen müssen wir auf
einen eigenen Band, die „Gesellschaftsphilosophie“, verschieben.
2.
Im höheren Geistesgrunde hat das Geschaute den Vorrang vor
der Annahme
2
.
3.
Insofern die Annahme in Gezweiung erfolgt, hat diese den
Vorrang vor Annahme; und der in der Gezweiung Führende den
Vorrang vor dem Geführten, trotzdem allerdings die „Annahme“
nur als die eigenste Geistestat des Einzelnen erfolgen kann
3
.
4.
Das hingebende Bewußtsein hat den Vorrang vor dem Gegen-
standsbewußtsein. Das Ich : Du-Verhältnis hat den Vorrang vor
dem Ich : Gegenstand-Verhältnis, Seelenbewußtsein ist vor Weltbe-
wußtsein.
5.
Annahme hat den Vorrang vor dem (nach der Annahme erfol-
genden) Schauen.
/
6.
Schauen hat den Vorrang vor dem Vollzuge, zunächst vor dem
Wissen (Denken). Diesem Satze kann man auch die Form geben:
Intuitives Denken hat den Vorrang vor dem diskursiven Denken.
1
Vgl. dazu oben S. 201 ff., 256 ff., 269 ff. und 283 f.
2
Vgl. oben S. 256 f.
3
Innerhalb des Subjektes, innerhalb der subjektiven Akte hat natürlich nur
das Subjekt den Vorrang. Aber die Gezweiung faßt eben das Subjekt als Glied
eines Übersubjektiven. In dieser Gliedschaft kann nicht immer das eigene Subjekt
den Vorrang haben.