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Äußerung. Vom Anzeichen her sind zwar Rückschlüsse möglich,
aber nicht erschöpfend. Die Anzeichen sind nicht die substantiellen
Dinge und Vorgänge selbst. Daher sind die Anzeichen-Zusammen-
hänge, das heißt die m a t h e m a t i s c h e n N a t u r g e s e t z e ,
n i c h t d i e S u b s t a n z e n d e r N a t u r , s o n d e r n n u r
d a s B i l d d e r m e n g e n m ä ß i g e n Ä u ß e r u n g e n d e r
S u b s t a n z e n . Letztere liegen aber in den Qualitäten.
Es ist der große Vorteil der Kontinuitätsphysik, daß sie solche
Deutungen ihres Verfahrens ermöglicht, ohne den praktischen Be-
trieb der Physik zu stören, der auf absehbare Zeit mathematisch
eingestellt bleiben wird. — Auch in der Quantentheorie zeigen sich
ja Gedanken
1
, welche auf eine Einschränkung der mechanischen
Ursächlichkeit abzielen und sogar die Zukunft als Bedingung für
die Gegenwart gelten lassen — Gedanken, die zu nichtmathemati-
schen Betrachtungen in der Physik führen müssen.
/
2.
In der Physik ist ein g e s c h i c h t l i c h e r B e s t a n d t e i l
verfahrenmäßig aufzunehmen. Es ist ein Irrtum, daß es eine rein
mathematische Physik je gegeben habe noch geben könne. Selbst
wenn das Weltbild nach der Laplaceschen Weltformel fertig wäre
und man einfach „weiterrechnen“ könnte, bedürfte es des Einset-
zens aller Anfangswerte — und diese sind ein rein geschichtlich Ge-
gebenes, ein absolut geschichtliches Datum. Faßt man aber (durch
eine geringe Abänderung der Jaumannischen Formel) das gegebene
Raumkontinuum der Physik auf als die sich verräumlichende Ge-
samteinheit der Eigenschaften (Teilsubstanzen): dann ist nicht nur
im Ansatze, es ist auch in den Änderungen der Eigenschaften, im
„Weiterrechnen“, der geschichtliche Bestandteil enthalten. Das heißt
aber nichts Geringeres als: daß der Naturverlauf als Gesamtganzes
nicht berechnet werden kann, sondern einen einmaligen, einen ge-
schichtlichen Verlauf nimmt
2
. Die Nichtumkehrbarkeit der Na-
turvorgänge wird ja selbst in der atomistischen Physik in Form des
1
Auf die Erwin Lohr: Atomismus und Kontinuitätstheorie in der neuzeit-
lichen Physik, Leipzig 1926, S. 42, hinweist.
2
Auf die Einmaligkeit aller Naturvorgänge wies meines Wissens als einziger
Ernst Mach hin. „Die Natur ist nur einmal da“ (Ernst Mach: Die Mechanik in
ihrer Entwicklung, 3. Aufl., Leipzig 1897, S. 464 und 476). Sollte es nicht mög-
lich sein, dieser Tatsache verfahrenmäßig in der Physik Rechnung zu tragen?