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heiten heraus erklären, die in irgendeinem Sinne vor der Stofflich-

keit selbst stehen, die sie erst nachträglich stofflich werden lassen.

Wir können auch sagen: Sie wollen sie aus Vorstofflichem erklären

(das aber darum noch nicht Geist ist). Im Dynamismus sind es die

Urkräfte der Zurückstoßung und Anziehung, wie Kant sie nannte,

der Ausbreitsamkeit und Einengung, wie Schelling sie bestimmte.

Aus ihrem Zusammenwirken und ihren fortschreitenden Mischun-

gen gehen erst Raum und Stoff überhaupt sowie die bestimmten

handgreiflichen / Stofflichkeiten (Eigenschaften) im besonderen

hervor. Diese Urmächte, die je für sich selbst nicht Raum noch

Stoff sind, sind also vor dem Stoffe. Bei Aristoteles sind es von

Anbeginn die „Formen“ (Substanzen, Entelechien), die im Stoffe

erscheinen, die sich nur des Stoffes als des rein Erleidenden und

Formbaren bedienen, also selbst nichts Stoffliches sind. Das rein

Erleidende und Formbare, der erste Urstoff selbst (materia prima),

erscheint nie, er ist also selbst ein Vor-Stoffliches, Vor-Sinnliches,

ist selbst unräumlich und unstofflich. Dieses nur zur Aufnahme der

Formen Fähige ist ein ungeistig Vorstoffliches, erst die Formen

sind im geistigen Sinne ein Vorstoffliches. In der Kontinuitätsphy-

sik endlich ist es der „eigenschaftbegabte Raum“ und damit aas

Gesamtganze der Natur, von dem ausgegangen wird. Diese Physik

bleibt so sehr im Gebiete des bloß Erscheinenden, daß sie die Frage

der „Konstitution der Materie“ gar nicht stellt, daß sie den Begriff

des Stoffes der Philosophie überläßt, was gegenüber der Atomistik

ein besonderer Vorzug ist. Da sie aber die Eigenschaften (Quali-

täten) als Erstes bestehen läßt, weist sie damit auf ein Nichtstoff-

liches inmitten des Stofflichen hin. Sie tut dies ferner in dem

grundlegenden Begriffe der Stetigkeit, der die weiteren Fragen und

Denkaufgaben des Vorstofflichen, Vorsinnlichen enthält, wie wir

sehen werden. — Endlich wäre auch der Leibnizischen Monaden-

lehre zu gedenken. Die Monaden sind ein Vorstoffliches, sind gei-

stesähnliche Wesen. Sie gleichen darin, daß sie selber ganz unstoff-

lich sind, den „Formen“ der aristotelischen Lehre. Leibniz sucht

sie gleichsam als die unstofflichen Wurzeln der stofflichen Erschei-

nungswelt begreiflich zu machen.

In a l l e n n i c h t - a t o m i s t i s c h e n L e h r e n s e h e n

w i r e i n e v o r s i n n l i c h e E r s t i g k e i t d e m S t o f f e

v o r s t e h e n . So sehr das überraschen mag, so zeigt sich doch,

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