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fenden Subjekte gedacht.) Ein anderes ist es aber beim menschlichen Schaffen,
namentlich bei einem solchen, wo alle höheren Stufen, durch die hindurch und
von denen aus erst die letzten, bestimmten Glieder gestaltet werden sollen, wirk-
lich Vorkommen. Soll zum Beispiel ein Heer organisiert werden, so dürfen die Allge-
meinheiten, wie Korps, Divisionen usw. bis herab zu Regiment und Hundertschaft,
nicht übergangen werden, sondern sie müssen für sich geschaffen werden. Wenn
es auch nach dem Satze: „Das Ganze als solches hat kein Dasein, es wird in den
Gliedern geboren“, niemals als s o l c h e s zur Erscheinung kommt, so ist die
Wirksamkeit (und in diesem Sinne die Wirklichkeit) der allgemeinen Stufe
„Regiment“ doch offensichtlich und zeigt sich daran, daß der Oberst mit seinen
Gehilfen wirklich besteht (nämlich nicht als einzelner Krieger oder Heeresorgan
schlechthin, sondern als Regimentsorgan), daß der Hauptmann wirklich besteht
(nicht als einzelner Krieger schlechthin, sondern als Hundertschaftsorgan), daß
also die Allgemeinheit „Regiment“ ihre arteigenen Leistungsträger besitzt, und
daß sie die niederen Stufen, Tausendschaf ten und Hundertschaften, tatsächlich
ausgliedert und in sich befaßt. Nicht nur die einzelnen Krieger haben wirkliches
Dasein, sondern auch die im „Regiment“, zuletzt im höchsten Ganzen „Heer“
wirksamen höheren Ganzheiten haben ihr eigenes Dasein, wenn auch in anderer
Form — was sich daran zeigt, daß der einzelne Krieger nur durch Erlangung der
G l i e d s c h a f t am Heere — durch das Regiment und andere Stufen hindurch —
die Wirklichkeit als „Krieger“ erlangt. Das Tun des einzelnen Kriegers erhält
durch die höheren Ganzheiten Zusammenhang und Bestimmung. In d i e s e m
T u n w i r d d i e h ö h e r e G a n z h e i t g l e i c h s a m s i c h t b a r .
Dort also, wo auch der Mensch nicht nur ein individuelles Ding (zum Beispiel ein
Steinbild) schafft, sondern eine ganze kleine Welt (zum Beispiel ein Heer), eine
Welt, die ihre Stufen und Glieder in sich hat, kommt die verhältnismäßige
gliederbauliche Selbständigkeit der höheren Ganzheiten und deren verhältnis-
mäßige Jenseitigkeit (Transzendenz) deutlich zur Erscheinung. Daß aber das
Jenseitigkeitsverhältnis als eine Synthesis von Jenseitigkeit und Einwohnung
(Immanenz) unter Wahrung des Vorranges der Jenseitigkeit begriffen werden
muß, ließ unsere frühere Untersuchung erkennen
1
.
Bei Beurteilung der ganzen Frage ist der Beweisgrund aus dem
Aufbau der Ganzheiten entscheidend. Wenn es gleich richtig ist,
daß die Schöpfung von Gott gedacht wird und / daher die Ideen
Schöpfergedanken Gottes sind, so ist doch noch die Frage zu stel-
len, welchen inneren Aufbau und Zusammenhang diese Schöpfer-
gedanken haben? Da sie, soweit sie als Welt sich offenbaren, ganz-
heitlichen Aufbau haben, so lautet die Antwort, daß Gott die Schöp-
fung nicht als eine Anzahl von Einzelwesen denkt, die n e b e n -
e i n a n d e r wären, sondern als Gliederbau von Stufen, wo die nie-
deren Stufen in den höheren und schließlich die Einzelwesen in den
niederen g l i e d h a f t enthalten sind. Und daraus folgt: daß
den h ö h e r e n S t u f e n , w e l c h e d i e n i e d e r e n
a u s g l i e d e r n , n i c h t m i n d e r e i n S e i n z u k o m m t
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Siehe oben S. 453 ff.