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bleiben, dann vermöchte er niemals die Gattungen des Seins zu er-

kennen, da er Anderes, als er selbst ist, nicht zu erkennen vermag.

Jedes Wesen kann nur erkennen, was es selbst ist. Auch der Geist

kann nur / erkennen, womit er eins ist. Er kann nur sich selbst

erkennen, nichts Fremdes außer ihm.

Wie ist dann Ideenerkenntnis möglich? Dadurch, daß der mensch-

liche Geist selbst eine Idee ist und daher in innerer Verbindung mit

der Gemeinschaft der Ideen steht. Nur weil der Mensch selbst Idee

ist, kann er die Ideen in den Dingen erkennen, denn was der Geist

nicht in sich hat, kann er auch nicht außer sich finden. Das Bürger-

recht im Reiche der Ideen ist gleichsam der Urzustand des Men-

schen.

Der Mensch darf nicht zu klein von sich denken, seine Kraft

reicht bis in das Innerste der Welt, bis in das Ideenreich. In sich

selbst findet er die Ideen, in ihm wohnt die ganze Welt der Ideen,

er ist Ideenführer. Gleichwie ein Glied des Körpers Leben und

Empfindung aller anderen teilt und gleichwie der ganze Körper

es verspürt, was dem einen Gliede widerfährt und in diesem Sinne

alle Glieder spüren, was in allen vorgeht, ebenso beruht auch un-

sere Erkenntnis der Idee auf der Gliedhaftigkeit des Geistes im

Reiche der Ideen. Darum ist unsere Erkenntnis der Gattungen

keine äußere „Wahrnehmung“ eines Anderen außer uns, sie ist ein

Schauen, aber ein Schauen ihrer selbst, gleichsam ein Berühren ihrer

selbst, ein Innewohnen ihrer eigenen Fülle. Unsere Erkenntnis be-

steht in nichts anderem als darin: die im Geiste schlafende Ideen-

welt zu wecken. Und nicht nur für die begriffliche Erkenntnis im

engeren Sinne gilt dies, sondern für alles innere Erleben, das über

die äußere und innere Sinnesempfindung hinausgeht. (Jedoch kann

dies erst später, in einem eigenen Bande, weiter verfolgt werden

1

.)

Auch die sogenannten magnetischen, hypnotischen und ihnen ver-

wandten Zustände weisen uns auf die wahre Stellung unseres Gei-

stes hin. In ihnen wird der äußere Sinn verschlossen und der innere

aufgetan. In ihnen, so darf man sagen, wird uns bedeutet, wie der

Geist wieder in sein Ganzes zurückversetzt werden kann. Und wenn

es auch in jenen Zuständen nur in / beengter und ungesunder

Weise geschieht, was sind jene hellseherisch zu nennenden Zustände

anderes als ein unmittelbares Leben im Geiste, im Ideenreiche?

1

Siehe mein Buch: Gesellschaftsphilosophie, München und Berlin 1928.