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auf Mittel angewiesen ist, die dem naturgesetzlichen Zusammen-

hange unterliegen. Diese Rückwirkungen treten zwar als ein

von Z w e c k e n g e l e i t e t e s H a n d e l n auf, und liegen da-

her, soweit sie eben aus Zwecken innerhalb des Geistigen entsprin-

gen, s o w e i t allerdings ganz innerhalb des Geistigen selber, je-

doch sind sie an die Benutzung von naturgesetzlich bestimmten Mit-

teln gebunden. Einerseits kann demnach für den Menschen die Na-

tur in bezug auf die Entwicklung und Gestaltung der Zwecke be-

stimmend und leitend sein, andrerseits ist dieselbe „als ein System

von Mitteln zur Erreichung dieser Zwecke mitbestimmend. Und so

sind wir selbst d a, wo wir w o l l e n . . . eben weil wir nicht blinde

Kräfte sind, sondern Willen, welche ihre Zwecke überlegend feststel-

len, von dem Naturzusammenhang abhängig“

1

. Daher hat die Wis-

senschaft von der Menschheit zweifach die Naturerkenntnis zu ihrer

Grundlage. Einmal als Wissenschaft vom Organismus, sofern sie die

Organismen nur mit Hilfe der Biologie studieren kann, sodann als

anorganische Naturwissenschaft, sofern diese die Gesetzmäßigkeiten

angibt, denen die Mittel, deren sich der Mensch in seiner Tätigkeit

bedient, unterliegen

2

. „Das Problem des Verhältnisses der Geistes-

wissenschafter. zu der Naturerkenntnis kann jedoch erst als gelöst

gelten, wenn jener Gegensatz, von dem wir ausgingen, zwischen

dem transzendentalen Standpunkte... und dem objektiv empiri-

schen ... aufgelöst sein wird. Diese Aufgabe bildet eine Seite des Er-

kenntnisproblems.“

3

Der Standpunkt der Geisteswissenschaften ist

der erstere, der der i n n e r e n Erfahrung. Während die Außenwelt

uns nur unter den Bedingungen unseres Bewußtseins gegeben ist

(„Phänomenalität der Welt“), ist uns die Totalität unseres Bewußt-

seins, der Zusammenhang unseres Seelenlebens p r i m ä r gegeben

(„Intellektualität der inneren Wahrnehmung“). Die Welt des Gei-

stes ist uns in ihrem Wesen verständlich, die der Natur bleibt uns

ewig fremd und stumm. Jene ist uns, wie hervorgehoben, unmittel-

bar in der inneren Erfahrung gegeben, und darin besteht der

Grundunterschied des geisteswissenschaftlichen Erkennens vom Na-

turerkennen. Darum ist jede Ü b e r t r a g u n g naturwissenschaft-

1

Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, a. a. O., S.

2

Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, a. a. O., S.

3

Wilhelm Dilthey: Einführung in die Geisteswissenschaft, a. a. O., S.